Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
wusste
gleich, dass du nicht sauber bist«, sagt er und packt mich derb am Arm, als wollte
er einen Schwerverbrecher ins Gefängnis stecken. »Du hast ab sofort Hausverbot!
Anordnung von Oranienbaum persönlich.«
Als er mich
durch die Drehtür schiebt, kann ich es mir nicht verkneifen. Ich strecke ihm die
Zunge heraus.
12. Kapitel
Entscheidungen
»Der Herr Graf ist nicht im Hause«,
sagt Daniels Sekretärin, als ich ihn in seinem Büro anrufe. Sie weiß leider nicht,
wann er wiederkommt. Auf seinem Handy erreiche ich ihn ebenfalls nicht, deshalb
hinterlasse ich eine Nachricht, dass ich sensationelle Neuigkeiten habe und er mich
ganz schnell zurückrufen soll.
Vicki rufe
ich auch an, obwohl ich fast sicher bin, dass sie nicht rangehen wird. Ob sie sich
jemals in diesem Leben wieder mit mir vertragen wird?
Egal, ich
quatsche ihren ganzen Anrufbeantworter voll mit meinen Erkenntnissen. Ich bin sicher,
es muss irgendwo in ihrem ganzen alten Papierkram den Beweis dafür geben, dass Gut
Kletzin nicht Friedrich von Oranienbaum dem wievielten auch immer gehört.
»Vicki«,
flehe ich. »Gib deinem Herz einen Stoß. Wenn sich herausstellt, dass das Gut dir
gehört und du willst es nicht haben, dann verschenke es eben. Es ist total egal,
ob du Augusta oder mich gut leiden kannst – also nein, das ist mir natürlich nicht
egal, aber ich meine, es ist egal für Kletzin. Du sollst doch nur verhindern, dass
da ein riesiger Schweinestall gebaut wird. Bitte!«
Als ich
gerade auflege und etwa 200 Meter vom Potsdamer Platz entfernt bin, ruft Leo an.
»Kommst
du heute noch mal zur Arbeit?«, fragt er und klingt ziemlich bedient.
»Ich bin
fast da«, antworte ich und beschleunige meine Schritte.
Vor lauter
›Mission Ponyhof‹ habe ich tatsächlich meine Arbeit vernachlässigt. Seit ich weiß,
dass Leo Berlin bald verlässt, ist mir klar geworden, dass ich meinen Ausflug in
die Theaterwelt beenden will. Nicht weil ich dazu gezwungen bin, sondern aus freien
Stücken!
Gleich morgen
werde ich in den Wedding fahren, mir im Schraders einen Latte macchiato und ein
Stück Torte gönnen und dabei gemütlich eine Zeitung lesen. Anschließend besuche
ich Margret (die seit Kurzem wieder in Berlin ist) und Jola und verrate ihnen, dass
wir ab Januar wieder zu dritt sind (Der Schmetterling kommt zurückgeflogen, denke
ich einen Moment voller Zynismus, aber ich glaube fest daran, dass Margret und Jola
mich nie so gesehen haben). Mein ›alter‹ Traum, eines Tages ein eigenes Modeatelier
zu führen, ist immer noch da. Genau genommen war er nie weg. Er ist nur ein wenig
in den Hintergrund getreten. Theater – das weiß ich nun – ist nicht meine Welt.
Wenn nur
jede Entscheidung so einfach wäre!
In wenigen
Tagen ist Premiere. Ich werde endlich meine Kleider auf der Bühne sehen. Ein Teil
des Applauses wird mir gehören. Manche Besucher werden bestimmt hinterher sagen,
wie umwerfend die Klamotten ausgesehen haben, und in dem edlen, schwarz glänzenden
Programmheft steht für alle lesbar: ›Kostüme: Rosa Redlich‹.
Ich habe
bestimmt nicht alles richtig gemacht in letzter Zeit.
Nee, wahrscheinlich
habe ich wieder traumwandlerisch jede Menge Mist gebaut. Aber diesen Erfolg, den
habe ich mir hart erarbeitet, gegen Widerstände, gegen Neid und Missgunst. Und darauf
bin ich stolz.
Als ich die vertrauten Gänge entlangeile, fühle ich mich auf
einmal frei.
»Da bin ich endlich«, sage ich strahlend und öffne die Tür
zur Werkstatt.
Marlene dreht sich zu mir um, den Mund schon zu einer spitzen
Bemerkung geöffnet. Doch als sie mir in die Augen schaut, klappt sie ihn wieder
zu und schweigt. Vielleicht spürt sie, dass sie mich nicht mehr treffen kann.
*
»Ich habe keine Ahnung, ob das was
bringt«, sagt Daniel, als er mich in Vickis Wohnung lässt. Ich bin direkt nach meiner
Arbeit hingefahren, kurz nachdem er mich endlich zurückgerufen hat.
»Ich auch
nicht«, antworte ich. »Aber ich bin froh, dass wir es versuchen.«
Mein altes
Zuhause sieht wie immer gemütlich und leicht düster aus. Ich muss achtgeben, dass
mich der Anblick all der vertrauten Gegenstände im langen Flur nicht sentimental
stimmt.
»Hallo,
Augusta«, sage ich und winke dem Bild am Ende des Ganges zu.
Daniel lächelt.
»Vicki redet neuerdings auch mit ihr«, sagt er.
»Wirklich?«
»Du hast
mit deiner verrückten Recherche ganz schön viel Staub aufgewirbelt, Rosa!«
»Das wollte
ich gar nicht.«
»Wolltest
du nicht? «, fragt
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