Herbsttagebuch: Roman (German Edition)
Couch auf.
Und ich
hasse es, dass er mich nicht gefragt hat, ob ich nach Los Angeles mitkommen will.
*
Am nächsten Morgen gehe ich nach
der Arbeit rüber zum Potsdamer Platz, um mir ein Kleid für die Premierenfeier zu
kaufen. Sage ich. Eigentlich, wenn ich ganz ehrlich bin, will ich gucken, ob die
Kinder vom Ponyhof da sind. Ich habe sie seit Tagen nicht mehr gesehen. Und vielleicht
ist ja auch Basti ….
Hör auf
damit, Rosa!
Schon von
Weitem sehe ich Fernsehkameras, Übertragungswagen und eine Menschenmenge an dem
Platz, wo sonst die kleine Kutsche steht.
Da sind
sie alle – die Kinder mit ihren Plakaten, der Mann, mit dem ich mich unterhalten
habe. Sogar ein Pony haben sie heute dabei. Basti und Juli sehe ich allerdings nicht.
»Heute tragen
wir unseren Hof zu Grabe«, sagt gerade eine der Reitlehrerinnen in die Kamera. »Wir
konnten leider nicht verhindern, dass wieder ein Stück intakte Natur dem Kommerz
geopfert wird, dass Kinder ihre Freizeitbeschäftigung und die Ponys ihre Heimat
verlieren.«
Und ich
konnte es leider auch nicht verhindern. Obwohl ich alles versucht habe.
Traurig
wende ich mich ab.
Aber ich
habe überhaupt nicht alles versucht!
Plötzlich
habe ich eine Idee – total verrückt, vollkommen bescheuert, ohne Plan, doch voll
Leidenschaft. Wenn mir keiner beim Retten der Welt helfen will, dann mache ich es
eben alleine. Basta! Wer sagt denn, dass der Sieg den Kühlen und stets Wohlüberlegten
gehören muss?
*
Kudamm, Nähe Rankestraße. Ein mehrstöckiges
modernes Gebäude mit spiegelnder Glasfassade.
»Das passt«,
sage ich leise, als ich durch eine Drehtür ins Haus gehe. Hinein ins Herz von BB-Immo-Net.
»Guten Morgen.
Ich möchte zum Bewerbungsgespräch!«
Vor ein
paar Tagen habe ich nämlich im Internet eine Stellenanzeige der Firma gesehen und
das hat mich soeben auf die Idee gebracht, ich könnte unter dem Vorwand, mich bewerben
zu wollen, bis zu einem der Chefs vordringen und ihm erzählen, dass das Land, welches
er bebauen will, eigentlich gar nicht ihm gehört und seine Baupläne somit Schrott
sind.
Mit Sicherheit
ringt ihm das nicht mehr als ein überlegenes Lächeln ab. Vielleicht ist er auch
ein guter Mensch und hat ein Einsehen. Es ist nur ein Strohhalm im Ozean, aber ich
halte mich daran fest.
Der adrett
gekleidete Herr am Empfang mustert mich kühl. Ich setze mein allernettestes Lächeln
auf.
»Haben Sie
einen Termin?«, fragt er und guckt in seinen Computer. »Eigentlich sind die Vorstellungsgespräche
erst heute Nachmittag.«
Mist!
Vielleicht
hätte ich mir eine andere Strategie zurechtlegen sollen.
Rosa Redlich,
seit wann hast du denn für irgendetwas, was du tust, eine Strategie?
Stimmt auch
wieder, bei mir kommt alles aus dem Bauch heraus und bisher bin ich nicht schlecht
damit gefahren. Spontane Entscheidungen sind immer die besten. Das wahre Leben ist
sowieso nicht planbar.
Ich glaube
fest an meine Mission. Augustas Tagebuch in meiner Tasche gibt mir Mut. Ȁh, ich
… also na ja, das weiß ich natürlich, aber …«
Das Telefon
klingelt.
»Entschuldigung«,
sagt der Typ und geht ran.
Während
er labert, versuche ich, einen Blick auf seinen Bildschirm zu erhaschen. Der Empfangsmensch
sitzt auf einem ledernen Drehstuhl, der ihm scheinbar eine Menge Spaß bringt, denn
er dreht sich das ganze Telefonat über im Kreis. Immer, wenn er mir für Sekunden
den Rücken zuwendet, versuche ich, die Einträge auf der Terminliste zu lesen. Freundlicherweise
hat er sie nämlich nicht geschlossen.
»Ich … äh
… ich hatte vorhin angerufen«, fantasiere ich aufs Geradewohl, als er sich mir wieder
zuwendet. »Ich kann nämlich heute Nachmittag nicht und deshalb soll ich schon jetzt
zum Chef kommen.«
»Davon weiß
ich nichts«, sagt der Mann und runzelt die Stirn. »Wie ist noch mal Ihr Name?«
»Langner.«
Das war der einzige Name, den ich auf die Schnelle habe entziffern können.
Der Mann
starrt auf seinen Bildschirm. Seine Stirnfalten werden noch tiefer. »Hier steht
Langner, Eike. 14 Uhr. Ich dachte, Eike ist ein Männername.«
»Langner,
Eike … genau«, antworte ich. Meine Knie fangen ein bisschen zu zittern an. »So heiße
ich. Eike ist nämlich ein Name, den Mädchen und Jungs tragen können. Wirklich!«
Puh! Hab ich ein Glück, dass Herr Langner nicht Thomas oder Michael heißt! »Lassen
Sie mich jetzt bitte nach oben?«
Hoffentlich kommt er nicht auf die Idee, irgendeine Sekretärin
anzurufen und meine Angaben zu
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