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Herbstvergessene

Titel: Herbstvergessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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verschwand sie bald aus meinem Blickfeld. An einer Weggabelung verlangsamte ich meinen Schritt. Welche Richtung mochte sie eingeschlagen haben? Ich bog nach rechts ab und sah sie erst wieder, als das Buschwerk sich lichtete. Doch statt, wie ich angenommen hatte, den Rundweg um den See einzuschlagen, bog sie nun erneut rechts ab, an der Stelle, wo es in den Wald hineinging. Ich hielt abrupt inne. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Sollte ich ihr folgen? Statt erst lange darüber nachzudenken, setzte ich mich gleich wieder in Bewegung. Ich hielt mich nun am Rand, in der Deckung der Büsche. Der Laubteppich unter meinen Füßen raschelte und ich bemühte mich, leise voranzukommen. In der Luft lag ein würziger Duft, und hätte mich nicht diese plötzliche Anspannung in Atem gehalten, so hätte mich der Anblick der letzten tanzenden Blätter sicher in seinen Bann gezogen. Hanna verschwand erneut hinter einer Wegbiegung und auch ich beschleunigte meinen Schritt, ich rannte jetzt fast. Als ich um die nächste Kurve bog, war sie nicht mehr zu sehen. Der schmale Weg, der in den Wald hineinführte, lag still und verlassen da, unter dem dicken Teppich aus Buchen- und Lindenlaub. Sie konnte unmöglich so schnell gerannt sein – wenn sie auf dem Weg geblieben wäre, hätte ich sie auf jeden Fall noch sehen müssen. Also musste sie irgendwo abgebogen sein. Meine Augen tasteten langsam den Wegrand entlang, über das dichte, fast blattlose Buschwerk. Und da, auf der linken Seite war so etwas wie eine Öffnung zu erkennen. Hier könnte sie hineingeschlüpft sein. Ich trat näher und ja – dort, zwischen den beiden Schneeballsträuchern mit ihren leuchtend roten Beeren führte ein Pfad hindurch. Äste streiften meine Wangen, als ich dem Wildpfad folgte, der hinter der Mauer aus Schneeballbüschen breiter wurde und nun fast bequem begehbar war. Wohin wollte Hanna? Und – das war die Frage, die mir in den Ohren dröhnte – hatte es etwas mit diesem Mann zu tun? Ich folgte ihr weiter durchs Unterholz, auf einem schmalen Weg, der sich bald wieder verengte. Äste schlugen mir ins Gesicht, Laub raschelte, ein Zweig knackte von irgendwoher, ganz in der Nähe.Ich verlangsamte meinen Schritt, als ich plötzlich eine Stimme hörte, leise, aber nicht so leise, dass ich sie nicht unter Tausenden herausgekannt hätte.
    »Da bist du ja endlich«, sagte Sartorius.
    »Ich konnte nicht weg, die kleine Gerlinde wollte mir unbedingt noch einen Tee kochen und ich konnte ja schlecht sagen, dass ich noch eine Verabredung habe.« Hanna.
    Hanna und Sartorius. Ich schnappte nach Luft und hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen.
    »Nun komm schon«, sagte Sartorius. Und dann hörte man eine Weile gar nichts, nur das Rascheln der Blätter. Ich lauschte, atemlos, fassungslos. Dann hörte ich ihn atmen, das Atmen wurde immer lauter, ging in ein Stöhnen über. Ich war wie versteinert. Die Szene, als ich vor Hannas Zimmer gestanden hatte, fiel mir ein, ihre sonntäglichen Ausflüge in den Park, allein, ihre Kopfschmerzattacken, die sie zwangen, sich längere Zeit aufs Zimmer zurückzuziehen. Auch die Tatsache, dass sie es kommentarlos akzeptiert hatte, ins Nebengebäude zu ziehen, erschien mir nun in einem anderen, sehr viel klareren Licht. Und ihre Fragen. Die Fragen nach Paulchens Vater.
     
    An den Rückweg zum Haus kann ich mich kaum erinnern. Nur dass die Dämmerung hereinbrach und die Konturen der Büsche und Sträucher, die Stämme der alten Bäume verwaschen machte. In dieser Nacht konnte ich lange nicht einschlafen. Und als ich es dann endlich doch vermochte, träumte ich wirres Zeug, von Paul und mir in der Mahler’schen Wohnung, von Hans Wilhelm, dessen Züge auf einmal denen von Maximilian Fürst glichen. Und von Sartorius, der Paulchen auf dem Arm hielt und ihn plötzlich, so plötzlich, dass ich nicht reagieren konnte, von sich schleuderte, weit, weit fort.

 
    An diesem Abend konnte ich trotz meiner Müdigkeit lange nicht einschlafen. Erst gegen Morgen sank ich endlich in einen unruhigen Schlaf. Im Traum ging ich durch Hohehorst, stand unvermittelt in der Küche, betrachtete die drei Toaster und rätselte, warum die vielen Leute nur drei Toaster hatten und wie sie es schafften, alle ihr Brot zu rösten. Ich sah sie in Zweierreihen anstehen und plötzlich war ich diejenige, die die Brote hineinsteckte und wieder herausholte. Aber die Toaster waren nicht schnell genug und die Schlange wurde immer länger, die Exjunkies begannen zu murren und

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