Herbstvergessene
sich zu beschweren. Ich versuchte schneller zu sein und drückte vorzeitig auf den Knopf, um den Toastvorgang abzubrechen, mein Gesicht schwebte über den Heizspiralen und war mit Schweißperlen übersät. Auf einmal stand Roman Sartorius vor mir, rätselhaft, eine griechische Statue, und ich wurde mir meines verschwitzten Gesichts und meiner hektischen Bewegungen bewusst. Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn, aber es half nichts und Sartorius sagte: »Bei uns in Florida ist es noch viel heißer!« Er begann mich auszuziehen, ganz langsam öffnete er die Knöpfe meines Kittels, streifte ihn mir von den Schultern, ließ ihn auf den Boden gleiten. Und dann berührte er mich. Ich hielt ganz still, konnte und wollte mich nicht bewegen. Das Gesicht brannte mir, vor Lust und vor Scham, ich fühlte die Blicke der Exjunkies auf mir. Als die Hitze auf meinem Gesicht unerträglich wurde, wachte ich auf, mit hämmerndem Herzen, schweißgebadet. Und plötzlich wusste ich, was ich übersehen hatte.
Bis zum Nachmittag hatte ich herausgefunden, dass in München in den letzten Monaten keinerlei Phlebologie-Kongress stattgefunden hatte. Eine weitere Ungereimtheit, eine Halbwahrheit? Oder eine fette Lüge? Aber warum? Was für einen Grund hatte Sartorius, mir einen solchen Bären aufzubinden? Ich musste der Sache auf den Grund gehen. Und so kramte ich seine Telefonnummer hervor und tippte sie ein. Als sich die Mobilbox einschaltete, wählte ich – nur um keine Möglichkeit außer Acht zu lassen – seine Festnetznummer in Husum, doch auch da hatte ich kein Glück. Was kein Wunder war, da er gesagt hatte, er wäre in Miami. Das wird ja richtig spannend, dachte ich. Und: Ich
werde
diesen Mann erreichen.
Über die Auslandsauskunft erhielt ich wenig später die Nummer des
Rothstein Medical Centers
in Miami und verlangte dort, Dr. Sartorius zu sprechen. Kurze Zeit später hatte ich seine Sekretärin, Tracy Almond, am Apparat, die mir kurzerhand erklärte, der
Chief Physician
sei die nächsten Tage außer Haus, ob sie etwas ausrichten dürfe. Sie klang kompetent und war von eiserner Freundlichkeit. Auf meine hartnäckigen Bitten, mir Dr. Sartorius’ Aufenthaltsort zu verraten, wiederholte sie immer nur: »Sorry, I cannot tell you more, but please leave a message and he will call you back as soon as he can.«
Es gab Tage, da bekam alles seinen Sinn, sogar eine gescheiterte Dolmetscherausbildung und das Talent, Stimmen und Akzente zu imitieren. Und so wartete ich bis kurz vor 23.00 Uhr – in Miami war es zu dem Zeitpunkt fünf Uhr nachmittags –, bis ich noch einmal die Nummer des
Medical Centers
wählte und mich erneut meldete, diesmal jedoch mit dem Akzent einer WASP namens Hillary Farlow, die äußerst ungehalten war.
»Hören Sie! Dr. Sartorius hat mir erklärt, dass diese Beschwerden höchstens ein paar Tage andauern. Inzwischen sind drei Wochen vergangen und es geht mir immer noch nicht besser. Ich erwarte jetzt, dass Sie mich
sofort
mit Dr. Sartorius verbinden.«
»Es tut mir außerordentlich leid«, sagte Miss Tracy und klang dabei wirklich, als ob sie tiefste Betroffenheit empfand. »Herr Dr. Sartorius ist zurzeit nicht in der Klinik.«
»Und
wo
ist er, wenn die Frage gestattet ist, dann? Ihr
Exklusivwissen
hilft mir, wie Sie sich sicherlich denken können, nicht weiter.« Ich bemühte mich, so pikiert und geldschwer wie nur möglich zu klingen.
»Es tut mir leid, ich bin nicht befugt, Ihnen hierüber Auskunft zu erteilen.«
Ich schnaubte, gut hörbar und übertrieben. »Wie bitte? Ich
höre
wohl nicht recht. Jetzt werde
ich Ihnen
mal eine Auskunft erteilen. Ich bin eine
viel beschäftigte
Frau und bin von New York nach Miami geflogen, um mich von Dr. Sartorius operieren zu lassen, weil es hieß, er sei der Beste. Dr. Sartorius sagte mir zu, ich könne innerhalb von ein paar Tagen wieder arbeiten, was
definitiv nicht
der Fall war. Ich habe
wichtige
Termine verschieben müssen und jetzt erzählen Sie, dass Sie
mir
nichts sagen dürfen! Ganz im Gegenteil erwarte ich, dass Sie mir
auf der Stelle
ganz
viel
sagen, und ich hoffe für Sie und Ihren Herrn Doktor, dass er eine gute, eine
sehr
gute Erklärung für meine Beschwerden hat. Sonst könnte es sein, dass ich einen guten Bekannten, Senator McEwan, um Hilfe bitten muss.« Ich bemühte mich, sehr ruhig und sehr deutlich zu sprechen, ganz nach dem Prinzip, dass eine einflussreiche WASP niemals aus der Rolle fällt.
Als Tracy
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