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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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viel.«
    »Wer wird sich jetzt um diesen Nachbarn kümmern?«
    »Wenn ich das wüsste.« Sie schien zu überlegen, wie sie das Problem lösen konnte.
    »Wie lange wohnte Frau Aigner schon in der Siedlung?«
    »Ich habe mich das auch gefragt und gestern Abend noch in den Unterlagen nachgesehen. Es waren drei Jahre. Fast drei Jahre.«
    »Dann war sie ja noch sehr jung, als sie hier eingezogen ist.« Sie standen mittlerweile vor dem Eingang zu Catharina Aigners Wohnung.
    »Frau Aigner war seit langer Zeit die erste junge Person, die in die Fuggerei aufgenommen wurde. Wir haben uns vor drei Jahren etwas schwer damit getan, weil wir bis dahin nur Rentner oder Frührentner in die Siedlung aufgenommen hatten.« Elisabeth Hübner zupfte ein paar welke Blätter von der japanischen Weide. »Der Altersdurchschnitt der Bewohner liegt bei 69 Jahren und wir hatten damals befürchtet, dass sie Probleme damit haben könnte, sich in diese Umgebung zu integrieren.«
    »Und?«
    »Es gab nie irgendwelche Klagen über sie.«
    »Auch nicht wegen ihres Hundes?«
    »Normalerweise sind Hunde hier gar nicht erlaubt, aber sie hatte eine Ausnahmegenehmigung von uns bekommen. Sie hat uns damals erzählt, dass der Hund das Einzige sei, was ihr noch geblieben sei. Ihr Hund war außerdem schon ziemlich alt, als sie in die Fuggerei gezogen ist, und er war auch nicht laut. Wir haben das ein paarmal überprüft, aber selbst wenn man an ihrer Haustür geläutet hat, blieb es drinnen ruhig.«
    »Wissen Sie, was aus dem Hund geworden ist?«
    »Nein, leider nicht.«
    Vielleicht ist er ja gestorben, überlegte Davídsson.

    Ólafur Davídsson hatte nach einem der sandsteinfarbenen Straßenschilder an den Hauswänden Ausschau gehalten, aber keines gefunden. Elisabeth Hübner hatte ihm daraufhin erklärt, dass die Post sowohl Briefe an die Adresse Fuggerei 54 als auch an die eigenen Straßennamen der Siedlung zustellte.
    In Catharina Aigners Briefkasten steckte jetzt ein Brief ohne Absender mit der Anschrift Ochsengasse 54. Er nahm ihn aus dem Schlitz in der Haustür und steckte ihn in sein Sakko, bevor ihm Elisabeth Hübner die Haustür aufschloss. Sie selbst wollte das Haus einer Toten noch nicht betreten und hatte sich verabschiedet.
    Er stieg eine steile Holztreppe zum oberen Stockwerk hinauf und klopfte gegen eine dunkle Tür. Die schwache Treppenhausbeleuchtung ließ nur wenige Lichtstrahlen auf den Dielenboden scheinen, sodass man nicht erkennen konnte, ob er geputzt worden war oder nicht. Aber es roch im ganzen Hausflur nach einem chlorhaltigen Reinigungsmittel.
    Ólafur Davídsson versuchte es erneut, obwohl er sich im selben Augenblick fragte, ob der Bewohner dieser Wohnung überhaupt die Tür öffnen konnte, ohne das Gefühl zu haben, gleichzeitig jemandem Schmerzen zuzufügen. Er hatte von der Krankheit gelesen, aber er wusste nicht mehr, wie sie hieß.
    »Herr Moser? Können Sie mich hören?« Davídsson hatte ein kleines silbernes Türschild gesehen, auf dem der Name stand. »Sie müssen nicht öffnen. Wir können uns auch durch die Tür unterhalten. Ich bin vom Bundeskriminalamt. Sind Sie da?«
    Von drinnen kam kein Geräusch.
    Er beschloss, es später noch einmal zu versuchen, und ging zum Verwaltungsgebäude der Fuggerei, wo ihm nach kurzem Klingeln ein Türsummer den Weg freigab.

4
    Ó lafur Davídsson wusste sofort, wer ihm da den Rücken zuwandte. Der Mann stand neben einem wuchtigen alten Schreibtisch und hatte die Arme auf dem Rücken verschränkt.
    Die anderen beiden Schreibtische waren verwaist.
    Davídsson hatte zwei Frauen auf dem Flur gesehen, die miteinander flüsterten. Er glaubte, dass sie ebenfalls in das dunkle Büro im 1. Stock des Verwaltungsgebäudes gehörten.
    Vielleicht sind sie geflüchtet, weil sie es nicht mehr aushielten, dachte er, als er sich neben den Mann stellte.
    »Herr Moser?« Er formulierte seine Annahme trotzdem als Frage.
    Der Mann drehte sich zu ihm um.
    Er hatte Davídsson offenbar nicht gehört, als er den Raum betreten hatte.
    Vielleicht kann er die Anwesenheit von Menschen nicht spüren, dachte Davídsson, dem immer noch nicht eingefallen war, wie die Krankheit genannt wurde. Langsam zweifelte er daran, dass sie überhaupt einen Namen hatte.
    »Wer will das nun schon wieder wissen?«
    »Mein Name ist Ólafur Davídsson. Ich bin vom Bundeskriminalamt.«
    Der Mann wandte sich wieder der jungen Frau zu, die hinter dem Schreibtisch saß und darauf zu warten schien, weitermachen zu können. Davídsson sah

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