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Herbstwald

Herbstwald

Titel: Herbstwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Guzewicz
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einen Brief der Stiftung vor ihr liegen, auf den sie mit einem Bleistift Bemerkungen geschrieben hatte.
    »Sie wohnten im gleichen Haus wie Catharina Aigner, soweit ich gehört habe. Ich müsste natürlich auch mit Ihnen sprechen und wollte Sie nur kurz fragen, wann es Ihnen passen würde.«
    »Ich bin der Nachbar von Frau Aigner.« Obwohl ihm Moser wieder den Rücken zudrehte, war seine Stimme laut und klar.
    »Gerade deshalb müssen wir auch mit Ihnen sprechen.«
    »Sprecht ihr euch dabei nicht ab?« Er sah Davídsson in die Augen und wartete auf eine Reaktion. »Ich meine, bei der Befragung von Zeugen, oder bin ich etwa schon ein Verdächtiger? Gestern hat so ein Urbayer mich befragt und heute so ein junges Ding und jetzt Sie. Sprechen Sie nicht miteinander?«
    Davídsson wusste jetzt, wo Lilian Landhäuser gesteckt hatte, während er sich die Fuggerei angesehen hatte. Er hatte sich schon gewundert, dass er sie nirgends gesehen hatte.
    »Nein, wir sprechen uns nicht ab. Deshalb muss ich auch noch einmal mit Ihnen sprechen. Es tut mir leid«, sagte Davídsson.
    »Ich bin sowieso gleich fertig hier. Also machen wir es gleich hier.«
    »Dann kommen Sie bitte in den Besprechungsraum am anderen Ende des Flures, wenn Sie hier fertig sind.«

    Moser hatte keine fünf Minuten gebraucht, um seine Sachen zu klären. Die junge Frau, mit der er über dem Brief der Stiftung gebrütet hatte, öffnete ihm die Tür zum Besprechungszimmer und schloss sie hinter ihm wieder, ohne selbst den Raum zu betreten.
    Davídsson stand am Fenster neben dem Overheadprojektor und betrachtete den markanten Höchstetter-Erker. Die schnörkelhaften Verzierungen passten zu den Räumlichkeiten des Seniorats der Stiftung, der in diesem Gebäudeteil untergebracht war.
    »Also?« Mosers Gesichtszüge wirkten matt.
    Er war einen guten Kopf kleiner als Davídsson und mindestens fünfundzwanzig Jahre älter. Die grauen Haarsträhnen waren sorgfältig nach hinten gekämmt. Die Kleidung wirkte alt, aber gepflegt. Die Farbe grau dominierte. Nur der stahlblaue Schal hob sich von dem grauen Pullover und dem ebenso grauen Sakko ab.
    »Sie haben Catharina Aigner in ihrer Wohnung aufgefunden.« Davídsson hatte ihn absichtlich nicht gefragt, ob er sich setzen wollte. Er kannte die Antwort bereits.
    »Ja und nein.«
    »Was heißt das – ja und nein?«
    »Ich habe vermutet, dass etwas nicht stimmt. Sie war nicht gekommen, um mir beim Umziehen zu helfen. Sonst war sie immer sehr zuverlässig und sie war noch nie zu spät gekommen. Sie wusste, dass ich gerne pünktlich ins Bett gehe und nicht in dieser Kleidung schlafen kann. Ich habe mir also Sorgen um sie gemacht.«
    »Und dann?«
    »Ich habe den Messpriester angerufen.«
    Davídsson dachte an Mosers Ängste. Empfand er vielleicht Schuldgefühle wegen dem, was mit Catharina Aigner passiert war? Dachte er, wegen der Berührung irgendeines leblosen Telefonhörers hatte er sie in ihrer Wohnung tot auf dem Fußboden gefunden?
    »Ich habe ein Telefon, das über eine Sprachsteuerung arbeitet, und Pfarrer Geisler ist bei mir einprogrammiert«, fügte Moser als Erklärung hinzu, als ob er die Gedanken von Ólafur Davídsson hätte lesen können.
    »Der Pfarrer hat sie also eigentlich in ihrer Wohnung gefunden?«
    »Er hat mir meine Wohnungstür geöffnet und wir sind zusammen in ihre Wohnung gegangen.«
    »Haben Sie einen Schlüssel für die Wohnung von Catharina Aigner?«
    Moser lächelte zum ersten Mal. »Nein, der würde mir wohl auch nichts nützen, oder?«
    Davídsson begriff, was er meinte. »Wie sind Sie dann in ihre Wohnung gekommen? Hatte der Pfarrer einen Zweitschlüssel?«
    »Nein, die Wohnungstür war offen gestanden.«
    »Und dann?«
    »Wir sind in ihre Wohnung gegangen und haben sie mit dieser schrecklichen Plastiktüte über dem Kopf auf dem Fußboden im Wohnzimmer gefunden. Der Messpriester hat ihren Puls gefühlt, aber er konnte keinen mehr finden. Er hat dann sofort den Notarzt gerufen und ihr schließlich die Sterbesakramente erteilt.«
    Davídsson überlegte kurz. »Normalerweise salbt der Pfarrer bei einem Sterbesakrament Stirn und Hände mit Öl. Hat das der Messpriester bei Catharina Aigner auch getan?«
    Moser sah Ólafur Davídsson verwundert an.
    »Natürlich nicht auf der Stirn, aber auf den Händen schon. Er hat gesagt, dass er die Beweise für eine Morduntersuchung nicht zerstören möchte und dass Gott dafür Verständnis hätte, wenn er die Salbung nicht so durchführen könnte, wie es sich

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