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Hercule Poirots Weihnachten

Hercule Poirots Weihnachten

Titel: Hercule Poirots Weihnachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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im Fegefeuer?»
    «Es war viel ärger. Mir schien, es schreie jemand, der überhaupt keine Seele hat. Unmenschlich, wie ein Tier.»
    «So also beurteilten Sie ihn, Madame?» Poirot sah sie ernst an.
    Sie hob verwirrt die Hand, wollte etwas erwidern, und schlug dann wortlos die Augen nieder.
     
    Pilar trat mit der wachen Aufmerksamkeit eines Tieres ein, das irgendwo eine Falle wittert. Sie sah nicht so sehr ängstlich als vielmehr sehr misstrauisch von einem zum andern.
    Colonel Johnson schob ihr einen Stuhl zurecht.
    «Sie verstehen Englisch, nicht wahr, Miss Estravados?»
    Pilar riss die Augen auf.
    «Natürlich! Meine Mutter war Engländerin. Und ich selber fühle mich sehr englisch.»
    Johnson betrachtete ihr glänzendes schwarzes Haar, die dunklen, stolzen Augen und vollen roten Lippen und musste lächeln. Sehr englisch. Kein überzeugendes Eigenschaftswort, wenn man es auf Pilar Estravados anwandte. «Mr Lee war Ihr Großvater, nicht wahr? Er ließ Sie aus Spanien kommen, und Sie sind vor einigen Tagen hier eingetroffen.»
    Pilar nickte. «Ja, das stimmt. Ich hatte einige Abenteuer zu bestehen, ehe ich aus Spanien fortkam. Eine Bombe fiel auf unseren Wagen, und der Chauffeur wurde getötet. Wo sein Kopf gewesen war, sah man nur noch Blut. Und weil ich nicht Auto fahren kann, musste ich zu Fuß weitergehen. Ich hasse es zu gehen! Meine Füße waren ganz wund.»
    «Nun, Sie sind jedenfalls glücklich hier angekommen», lächelte Colonel Johnson. «Hatte Ihnen Ihre Mutter viel von Ihrem Großvater erzählt?»
    Pilar nickte strahlend. «O ja, sie sagte oft, er sei ein alter Teufel.»
    Hercule Poirot hob amüsiert die Augenbrauen.
    «Und wie gefiel er Ihnen, Mademoiselle, als Sie ihn kennen lernten?»
    «Er war natürlich alt, sehr alt und vertrocknet, und er müsste immer im Stuhl sitzen. Aber ich mochte ihn gern. Ich glaube, dass er in jungen Jahren sehr gut aussah, so wie Sie», und damit sah sie Inspektor Sugden unverhohlen und naiv bewundernd an. Der Polizeibeamte wurde feuerrot.
    Colonel Johnson unterdrückte ein Lachen. Es kam sehr selten vor, dass der stoische Inspektor vor Verlegenheit errötete.
    «Nur ist er natürlich nie so groß gewesen wie Sie», fügte Pilar bedauernd hinzu.
    Hercule Poirot seufzte leise. «Sie mögen also große Männer, Señorita?»
    «O ja», gab Pilar begeistert zu, «Männer müssen groß sein und breite Schultern haben und viel, viel Kraft!»
    «Waren Sie oft bei Ihrem Großvater, seit Sie hier sind?», lenkte Johnson das Gespräch wieder in offiziellere Bahnen.
    «Ja, ich saß viel bei ihm. Er erzählte mir manches – wie durchtrieben er gewesen sei und was er in Südafrika alles getan hat.»
    «Sprach er jemals von den Diamanten, die er in seinem Safe hatte?»
    «Er hat sie mir sogar gezeigt. Aber sie sahen gar nicht wie Diamanten aus. Nur wie Kieselsteine, hässliche Kieselsteine.»
    «Er hat sie Ihnen gezeigt?», fragte Sugden scharf. «Hat er Ihnen vielleicht einen davon geschenkt?»
    Pilar schüttelte den Kopf.
    «Nein. Aber ich dachte, dass er mir vielleicht einmal einen schenken würde, wenn ich recht nett zu ihm wäre und oft bei ihm säße. Alte Herren haben junge Mädchen nämlich sehr gerne.»
    «Wissen Sie, dass diese Diamanten gestohlen worden sind?»
    Pilar starrte Colonel Johnson an. «Gestohlen?»
    «Ja. Wissen Sie, wer sie genommen haben könnte?»
    «Gewiss», sagte Pilar kopfnickend. «Sicher Horbury.»
    «Wie kommen Sie darauf?»
    «Weil er ein Diebesgesicht hat. Er schielt immer so aus den Augenwinkeln, schleicht herum und horcht an den Türen. Er kommt mir vor wie eine Katze, und alle Katzen stehlen.»
    «Hm», räusperte sich Johnson, «lassen wir das vorläufig. Man hat uns gesagt, dass die ganze Familie am Nachmittag bei Ihrem Großvater versammelt war und dass dabei einige – einige gereizte Worte fielen.»
    Pilar lächelte.
    «Das ist wahr, es war sehr lustig. Großvater machte sie so wütend.»
    «Und das gefiel Ihnen?»
    «Ja! Ich mag es, wenn Leute wütend werden. Aber hier in England ist das ganz anders als in Spanien. In Spanien ziehen die Leute die Messer und fluchen und schreien; aber hier werden sie nur rot im Gesicht und verkneifen den Mund.»
    «Können Sie sich erinnern, was Ihr Großvater sagte?»
    Pilar schien an ihrem Erinnerungsvermögen zu zweifeln.
    «Ich bin nicht sicher. Großvater warf ihnen vor, keine Enkelkinder auf die Welt gesetzt zu haben. Ich sei ihm lieber als alle anderen. Er hatte mich sehr gern.»
    «Sprach er von

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