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Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk

Titel: Hermann Hesse Sein Leben und sein Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Ball
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ruhe und doch ein neu Lied und ein neuer Beginn aus sich
    selber wäre.
    Es ist nicht immer so gewesen; nicht immer klangen die Töne so voll
    und sonor; so gegenwärtig und ihrer selbst gewiß. Das Künstlerideal
    des jungen Hesse wächst sehr entlegen heran. Er entnimmt es aus
    Büchern; sehr guten, alten, bewährten Büchern, aber immerhin der
    Lektüre, nicht der Erfahrung. Er stand nicht in namhaften
    Spannungen seiner Zeit; nicht im großen Strom einer Clique, einer
    Richtung, einer Kameraderie hochgemuter Freunde und ebenbürtiger
    Begabung. Die Großstadt hat ihn nie berührt; mit ihren Höllen nicht
    und nicht mir ihren Himmeln.

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    Er nimmt sein Ideal aus Biographien verschollener Zeiten; seine
    Beispiele aus altitalienischen Legenden und Novellisten, seine ganze
    Lebendigkeit von der Natur. Aus dem Maulbronner Seminar, wo er
    den »Werther« und Heine liest, entläuft er mit allerlei Umwegen in
    eine Tübinger Buchhandlung, bedient dort Studenten und
    Professoren; sitzt, zwanzigjährig, in Stapeln von Büchern bis über
    den Kopf und bleibt dabei immer frischer, als wenn er Germanistik
    studierte. Er gerät in die Schlingen eines sentiment prémature;
    schreibt schon und publiziert in angesehenen Verlagen, ohne außer
    sich selbst auch nur einen einzigen zeitgenössischen Dichter gesehen
    zu haben.
    Seine jugendliche Auffassung vom Artisten ist diejenige, die Vasari
    und der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts teuer war. Der
    Dichter als spezialisierter Poet ist kaum vorhanden; er lehnt sich an
    den fahrenden Gesellen, an den noch handwerklich gebundenen
    Maler an. In Samtjoppe und Barett, wenn nicht eine Spielhahnfeder
    am Hut, erweist dieser Künstler mit Streichen à la Boccaccio die
    Kraft seines Naturells. In winkeligen Nachtquartieren weiß er
    spaniolische Komplimente zu drechseln, um zu Hause in einsamer
    Trauer den edleren Teil seiner Seele in Skrupeln und Wonnen
    entströmen zu lassen. In dieses Ideal mischen sich die dämonischen
    Geiger des Lenau, die fröhlichen Lautenschläger der Renaissance, die
    musikalischen Käuze des E. T. A. Hoffmann mit ihrer schattenhaften
    Vertauschung von Nacht und Tag. Und mischen sich, als der junge
    Hesse aus der Tübinger Buchhandlung 1897 in eine Baslerische
    einwandert, die stillen Züge studierender Mönche aus den
    chronikalischen Büchern des Jacob Burckhardt.
    Selbst die Ehe des Dichters vermag diesen hartnäckig abseitigen
    Traum nicht zu brechen; er wird sich im eigenen Hause ein
    Turmzimmer einrichten und es mit Stachligkeiten verbarrikadieren.
    Die Gattin aus altem Basler Geschlecht ist viel zu tief in die
    Ahnenreihe versunken; Festen und froher Geselligkeit ist sie ganz
    abgeneigt. So bleibt der Künstler ein Eigenbrötler, wenn nicht ein
    Widersacher; bleibt er der Einsame und Isolierte in einer entlegenen
    Kammer. Erst 1911 mit einer Reise nach Indien, und eigentlich erst
    im Kriege, und noch später 1919 mit der Übersiedlung von Bern in

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    den Tessin beginnt die menschliche Anonymität des Autors sich
    aufzulösen und mitzuteilen.
    Die gleiche Schwierigkeit, zur Umwelt ein erträgliches Verhältnis zu
    finden, spiegelt Hesses Werk. Ein entschiedener Realismus ist zwar
    im
    »Camenzind«
    schon
    vorhanden,
    aber
    drei
    sehr
    ungegenständliche, musikalisch-verschwärmte Erstlinge gingen
    voraus. Der »Camenzind« selbst ist ein offener Affront der modernen
    Kultur und Gesellschaft. Will man dies aber nicht gelten lassen, so ist
    doch die Wirklichkeit, die das Buch vertritt, von der üblichen sehr
    verschieden. Wenn man die Notizbücher, von denen im »Camenzind«
    die Rede ist, neben die gleichzeitigen eines Zola hält, dann fehlen die
    Zylinderhüte der Minister, die Strumpfbänder und die Warenhäuser;
    dann fehlen die Parfüme der feinen Damen, die schwieligen
    Arbeiterhände und die Karosserie einer heutigen Stadt. Dann ist
    Hesses Wirklichkeit ein Ausschnitt, ein Paradies helläugiger
    Knabenjahre; dann werden die sichtbaren Bilder nur anerkannt,
    soweit sie Dauer und Tragkraft haben für Ton und fromme
    Beströmung. Aber man täusche sich nicht! Dasselbe Werk, das erst
    harmlos und idyllisch aussieht, enthält einen Gegensatz zur heutigen
    Bildung, der unbehaglich und gefährlich werden kann. Nur von der
    Ausdauer des Dichters hängt es ab; nur von der anwachsenden Fülle
    und Umsicht seines Bestrebens.
    In den am Bodensee geschriebenen Büchern ist Hesse ganz ebenso
    wie im »Camenzind« bemüht, auf alle gesellschaftliche

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