Hermanns Bruder - wer war Albert Göring?
eilte Albert sofort nach Berlin und bat seinen Bruder, die Beschuldigungen aus der Welt zu schaffen. Er überredete Hermann Göring, seinen Untergebenen in Prag einen Brief zu schreiben, in dem er auf die Haltlosigkeit der Vorwürfe und auf die Bedeutung der Direktoren für die deutsche Kriegsführung verwies. 142 Damit waren die Verhaftungen abgewendet, und Albert Görings Heldenstatus war bis auf weiteres gesichert.
Wie ein waschechter
parisien
wedelt Jorge energisch mit dem Arm und schnippt mit den Fingern, um den Kellner herzubeordern. Er verbringt seit längerem einen Großteil seiner Zeit in dieser Stadt. In fließendem Pariserisch, samt genäseltem »-ah« nach jedem zweiten Wort, bestellt er uns die nächste Runde Bier und benetzt sich die Kehle mit der neun Euro teuren Flüssigkeit, bevor er von der Widerstandstätigkeit in den Škoda-Werken zu erzählen beginnt.
Die Fabrikarbeiter standen unter ständiger Beobachtung und waren nur selten in offensichtliche Sabotageakte verwickelt, doch mit ihrer ganz eigenen, subtilen Form des passiven Widerstands gelang es ihnen immer wieder, beträchtlichen Schaden anzurichten. Zum Beispiel produzierten sie Blindgänger-Munition, indem sie weniger Schießpulver in die Patronenhülsen füllten, oder sie zogen Projekte endlos in die Länge, bis sich die deutschen Aufseher gezwungen sahen, persönlich bis zum Abschluss über die Ausführung zu wachen. »Albert kümmerte sich nie um die Widerstandsaktivitäten bei Škoda; er sah einfach weg«, erzählt Jorge.
Einmal hätten Karel und einer seiner Cousins in Prag fast die Grenze zum offenen Widerstand überschritten, als siebei der Weinherstellung besondere Kreativität an den Tag legten. »Sie besorgten gewisse Kräuter … und das schmuggelten sie in … den großen Vorratstank mit dem Wein für die deutschen Truppen«, kichert Jorge. »Und am nächsten Tag bekamen alle, die den Wein getrunken hatten, fürchterlichen Durchfall. Alle mussten sie rennen.« Jorge lacht laut auf und wird erst allmählich wieder ernst, als er den Mann erwähnt, der hinter diesen ausgebufften Sabotageakten steckte: »Jan Moravek war bei Škoda der Anführer [des Widerstands].«
Dieser Anführer war rein zufällig auch ein guter Freund Albert Görings. Jan Moravek war der Exportleiter der Československá Zbrojovka Brno und Karel Sobotas ehemaliger Vorgesetzter. In dieser Funktion war er Albert Göring – damals noch Verkaufsrepräsentant für Junkers – 1933 bei einem Branchentreffen in São Paulo zum ersten Mal begegnet. Die beiden Ingenieure mochten einander auf Anhieb. Nach der Fusion der Československá Zbrojovka mit Škoda entwickelte sich eine stabile, fruchtbare Freundschaft zwischen ihnen.
Albert wusste, dass Jan, ebenso wie sein Bruder Breta Moravek, einer der Hauptakteure des tschechischen Widerstands war. Jan leitete wiederholt kriegswichtige Informationen weiter. Sein folgenreichster und wagemutigster Einsatz geschah im Rahmen der »Geheimaktion Crossbow«. Unter diesem Namen plante die britische Regierung Bombenangriffe unter anderem auf Deutschlands geheime Versuchsstation für V1- und V2-Raketen in Peenemünde. Jan fand über einen Freund, der dort arbeitete, Position und Zweck des Geländes heraus und leitete beides durch die Kanäle der tschechischen Widerstandsbewegung am 15. August 1943 nach London weiter. 143 Schon 48 Stunden später trat die Royal Air Force in Aktion und überzog die Versuchsstation mit einem Bombenteppich.
In dem dichten Netz von Gestapo-Agenten und Denunzianten, das die Deutschen im Protektorat gesponnen hatten, konnte jeder falsche Schritt für Jan Moravek verhängnisvoll sein. Doch bis zum Frühjahr 1941 gelang es ihm, den täglich lauernden Gefahren aus dem Weg zu gehen.
»Eines frühen Morgens im Juni, als sie [Frau Moravek] noch schlief, rief meine Tante Libuse an und bat sie, zu meinem Onkel zu kommen, ohne am Telefon Gründe zu nennen«, schreibt Elsa Moravek Perou de Wagner, Jan Moraveks Tochter, in ihren Memoiren
My Roots Continents Apart
(Meine Wurzeln auf zwei Kontinenten). »Am Tonfall meiner Tante erkannte meine Mutter gleich, dass etwas nicht stimmte.« 144 Als Elsas Mutter im Haus ihres Schwagers ankam, erfuhr sie, dass ihr Mann in großer Gefahr schwebte. Es gab einen Haftbefehl gegen ihn, und die Gestapo suchte ihn bereits.
Am Vortag war die Gestapo in das Landhaus von Jan Moraveks Eltern in Starý Ples eingedrungen. Vorgeblichsuchten sie nach einem ohne Genehmigung
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