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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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auf der Mappe liegen, den sie rasch überflog. »Hiroshi Kato hat die letzten Jahre für ein Unternehmen namens Gu Enterprises gearbeitet. Das ist ein multinationaler Konzern mit Sitz in Hongkong, der unter anderem Elektronik herstellt. Den amerikanischen Markt beliefert er mit Campingfernsehern, billigen MP3-Playern und solchem Zeug.« Wieder ein Blick auf ihre Notizen. »Der Gründer ist ein gewisser Larry Gu, in Hongkong geboren und inzwischen steinalt, was ihn nicht daran hindert, das Unternehmen nach wie vor zu leiten. Angefangen hat er mit Schmuggel und anderen zwielichtigen Geschäften, sein eigentliches Vermögen aber später mit Immobilien gemacht. Als Hongkong an China zurückfiel, hätte er die Option gehabt, nach Australien auszuwandern, doch er scheint sich mit dem Regime in Peking arrangiert zu haben. Auf jeden Fall ist er der CIA schon öfters aufgefallen, weil er den chinesischen Geheimdienst bei Wirtschaftsspionage unterstützt hat.«
    »Ich verstehe«, sagte Adamson. »Hiroshi Kato arbeitet also für die chinesische Volksrepublik.«
    »Zumindest für deren kapitalistischen Zweig.« Die Direktorin öffnete die Mappe. »Kato hat die letzten fünf Jahre mehr oder weniger durchgehend in verschiedenen streng abgeriegelten Forschungslabors verbracht und dort Arbeitsgruppen von bis zu hundert Leuten geleitet. Der CIA ist es gelungen, einige Unterlagen herauszuschmuggeln – wie, entzieht sich meiner Kenntnis.« Sie nahm einen Packen Blaupausen heraus und schob sie Adamson hin. »Hier. Ich möchte, dass Sie sich das anschauen und mir erklären, was Ihr Freund Kato da baut.«
    Adamson musste sich beherrschen, um ihr die Unterlagen nicht aus den Händen zu reißen. Seine Finger bebten, als er die Pläne berührte. »Bis wann«, fragte er, »brauchen Sie die Analyse?«
    Der Blick ihrer kornblumenblauen Augen wurde unduldsam. »Ich will kein Papier von Ihnen«, erklärte sie. »Ich will, dass Sie die Pläne aufmachen, sich anschauen und mir sagen, was Sie darauf sehen. Jetzt gleich.«
    »Oh.« Adamson spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Das war heftig. Hoffentlich würde das jetzt keine Pleite … Er entfaltetedie oberste Blaupause, behutsam, als könnte sie dabei brechen. Was sie bestimmt nicht tun würde; es war ein schwacher Versuch, etwas Zeit zu gewinnen, um sich zu sammeln.
    Auf einmal begriff er, was in diesem Büro anders geworden war, seit er das letzte Mal hier gewesen war: Alle Pflanzen waren daraus verschwunden! Die beiden großen Töpfe mit den feinblättrigen Ficus-Büschen genauso wie die Reihe kleiner, dickblättriger Gewächse, die auf dem kleinen grauen Bord unterhalb des Fensters gestanden hatten. Selbst der kleine Kaktus neben dem Drucker war fort.
    Irgendwie erschütterte Adamson diese Beobachtung. Er fand das fast noch beunruhigender als den Umstand, sich so unvermittelt, am frühen Morgen eines Tages, an dem er sich ohnehin nicht in Topform fühlte, einem Test seiner Fähigkeiten ausgesetzt zu sehen.
    Okay. Wie auch immer, da musste er jetzt durch. Er entfaltete die Blaupause, die mit TOP SECRET und dem Wappen der CIA gestempelt war, und betrachtete das Gewirr der Linien darauf. Immerhin, die Beschriftungen waren nicht nur in Chinesisch, sondern auch in Englisch.
    Und rechts unten im Beschriftungsfeld stand tatsächlich der Name: Hiroshi Kato .
    Hiroshis Zelt war groß, aber genauso sparsam möbliert wie einst sein Zimmer am MIT, wodurch es noch größer wirkte. Ein Feldbett, ein Schreibtisch, ein Tisch mit ein paar Stühlen darum herum: Das war alles. Und einen Kühlschrank musste er haben, denn er stellte ihr ein Glas und eine Dose Cola hin, die beschlug, so kalt war sie.
    Es war dieselbe Marke wie damals in Tokio.
    »Also«, sagte Charlotte. »Nun verrat’s mir endlich.«
    Hiroshi nahm sich einen der anderen Klappstühle und setzte sich ihr gegenüber. Er beugte den Oberkörper nach vorn, stützte die Unterarme auf die Knie und betrachtete sie so eindringlich, als sei er ein Insektenforscher und sie ein ungewöhnliches Insekt,das er gefunden hatte und zu bestimmen versuchte. Normalerweise hätte sich Charlotte in einer solchen Situation unwohl gefühlt, aber zu ihrer eigenen Überraschung gefiel es ihr. Nach einem Moment der Verwunderung begriff sie, dass es sie an die Zeit in Tokio erinnerte, als sie beide noch Kinder gewesen waren: Damals hatte Hiroshi sie genauso angesehen. Genauso intensiv. So, als sei er darauf aus, jedes ihrer Atome kennenzulernen, jedes einzelne.
    Niemand

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