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Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge

Titel: Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sonst hatte sie je mit derartiger Aufmerksamkeit betrachtet. Ihre Eltern nicht und auch kein Mann.
    Ein kurzer Windstoß ließ die Zeltplane über ihnen knattern. Das Geräusch brach den Bann. Hiroshi blickte zu Boden, schien den Anfang einer Rede zu suchen, die er schon seit Jahren in Gedanken immer wieder und wieder gehalten, immer weiter ausgebaut und verfeinert hatte.
    »Ich war damals erst zehn Jahre alt«, begann er. »Das muss man berücksichtigen. In dem Alter stellt man sich manche Dinge leichter vor, als sie sind, und andere Dinge schwieriger. Trotzdem ist mir schon damals etwas klar geworden, das ich heute noch genauso sehe: Wenn wir von Reichtum reden, dann reden wir nicht von Geld, sondern von Arbeit. Würde Reichtum bedeuten, viel Geld zu haben, wäre es ja einfach, jeden reich zu machen: Man müsste nur genügend Geld drucken und es an alle verteilen. Das funktioniert nicht, weil Geld eben nur bedrucktes Papier ist. Es geht nicht um Geld – es geht um Arbeit. Reichtum heißt, imstande zu sein, andere für sich arbeiten zu lassen.«
    Nun war es an ihr, ihn zu betrachten, in aller Ruhe. Die feinen Falten um seine Augen standen ihm, auch wenn sie ihn müde wirken ließen. Bestimmt hatte er in den vergangenen Jahren zu viel auf Computerbildschirme gestarrt, bis in die Nacht hinein gearbeitet, zu wenig geschlafen. Von Arbeit verstand er jedenfalls etwas, das war mal sicher.
    »Ja«, sagte sie, um ihm zu signalisieren, dass sie zuhörte. Zugleich fragte sie sich wieder einmal, wieso dieses Thema so wichtig für ihn war. Wieso er davon regelrecht besessen war.
    »Reichtum heißt«, fuhr Hiroshi fort, »mehr zu besitzen als andere, und zwar so viel mehr, dass die anderen darauf angewiesen sind, etwas davon zu bekommen, und deshalb bereit sind, dafür zu arbeiten. Das ist das Prinzip. Und nach diesem Prinzip« – er hob die Hand, den Zeigefinger – »ist Reichtum für alle per Definition nicht möglich, weil nicht jeder mehr haben kann als die anderen. Genauso wenig, wie alle überdurchschnittlich intelligent sein können oder überdurchschnittlich groß und so weiter.«
    Charlotte blinzelte überrascht, spürte Müdigkeit in ihre Augen kriechen. Es fühlte sich seltsam an, so, als sei sie gar nicht wirklich hier, sondern träume alles nur. »Aber das hast du doch behauptet, oder? Du hast behauptet, du hättest herausgefunden, wie man es machen muss, damit alle Menschen reich sein können. Du hast sogar gesagt, es sei ganz einfach.«
    Hiroshi nickte lächelnd. »Ja. Der springende Punkt an meinem Argument ist, dass Reichtum für alle prinzipiell ausgeschlossen ist, solange man an dem Prinzip festhält, dass der Reiche andere dazu bringt, für ihn zu arbeiten, indem er mehr besitzt als sie. Dann geht es nicht. Aber wenn man das Problem auf den Kopf stellt und sich einfach auf die Arbeit konzentriert – die Arbeit, die getan werden muss, damit jemand das Leben eines reichen Menschen führen kann, inklusive Gärtner und Koch und der Herstellung all der luxuriösen Dinge, die dafür nötig sind –, wenn man sich also nur auf diese Arbeit konzentriert und sich fragt, wie kann man es erreichen, dass diese Arbeit für jeden Menschen getan werden kann, kommt man darauf, dass es möglich ist, wenn man Maschinen erschafft, die arbeiten. Roboter, mit anderen Worten. Das Wort Roboter ist abgeleitet von dem tschechischen Wort robota , arbeiten. Ein Roboter ist im Idealfall eine Maschine, die all das tun kann, was ein Mensch auch tun kann. Wenn jeder Mensch eine ausreichende Anzahl von solchen Robotern besäße, dann könnte jeder Mensch das Leben eines Reichen führen. Das ist der Kern meiner Idee.«
    Charlotte nahm einen Schluck Cola. Sie schmeckte unangenehmscharf, künstlich. »Damit hast du das Problem nur verlagert«, meinte sie. »Wenn jeder solche Roboter hätte – klar. Aber einen derartigen Roboter zu bauen ist nicht so leicht, nehme ich an. Also wäre ein solcher Roboter teuer. Also könnte ihn sich nicht jeder leisten, und damit sind wir wieder da, wo wir jetzt auch schon sind – dass es arme und reiche Leute gibt.«
    Hiroshis Augenbrauen hoben sich. Er grinste. Nein, er grinste nicht nur, er schien sich königlich zu amüsieren. »Siehst du, das eben ist der Denkfehler. Es hat mich damals einiges Nachdenken gekostet, ihn zu erkennen, aber wahrscheinlich darf man tatsächlich nur zehn Jahre alt sein, um darauf kommen zu können. Einen solchen Roboter zu bauen ist nicht leicht, da hast du recht. Aber es

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