Herr aller Dinge - Eschbach, A: Herr aller Dinge
sagte Hiroshi nur, »dann soll er’s beweisen.«
Wenn man einen Ort suchte, um zu versumpfen, war das Haus der Verbindung Epsilon-Omega keine schlechte Wahl. Immer wenn Bennett von all dem Luxus und den manchmal unerträglich guten Manieren seiner angestammten Welt genug hatte, zog es ihn hierher. Epsilon-Omega gehörte nicht zu den Verbindungen, auf die man sein Leben lang stolz war; sie wurde nicht von Ehemaligen unterstützt und ließ keine eigenen Krawatten herstellen – hier landete, wer überall sonst abgeblitzt war, aber trotzdem ein billiges Dach über dem Kopf brauchte und vor allem jemanden, bei dem er abschreiben konnte. Entsprechend lockere Sitten herrschten. Auf diesen Partys passierten Dinge, die anderswo unvorstellbar waren. Hier hatte Bennett sein einziges Erlebnis mit drei Frauen zugleich gehabt. Ein andermal hatte ein Chemiestudent einen Stoff verteilt, der einem dasHirn weggeblasen hatte – so was von abgefahren, wie Bennett es noch nie erlebt hatte.
Das Verbindungshaus war eine Bruchbude am Stadtrand, elend weit weg von allen Hörsälen, aber auch von allen Nachbarn, die sich über Lärm hätten beschweren können. Man hielt hier viel von absonderlichen Farbkombinationen – die meisten Zimmer waren in Schwarz/Lila gestrichen –, dafür wenig von Reparaturen: Die Fensterscheibe über der Haustür hatte ein Loch, das Bennetts Erinnerung nach letztes Jahr schon da gewesen war.
Die Bilanz des heutigen Abends war allerdings noch unbefriedigend. Im Keller hatte ihm ein Mädchen zu einem Soundtrack aus Motörhead und Metallica einen geblasen, wenn auch nicht sehr gut. Sie hatte etwas eingeworfen gehabt und in einer Tour gekichert, ihn aber trotzdem nicht in ihr Höschen gelassen, nicht mal mit der Hand. Sie hatte beachtliche Brüste gehabt, doch auch an die hatte sie ihn nicht lassen wollen.
Wie auch immer, er würde jedenfalls nicht nach Hause gehen, ehe er nicht seine Gurke irgendwo ins Gemüse gestemmt hatte. Deshalb hatte er jetzt ein neues Mädchen in Arbeit. Wobei es einem diese grandiosen Drinks auf die Dauer schwer machten, sich zu konzentrieren.
»Wo war ich gerade?«, fragte er und legte seinen Arm um ihren Nacken.
»Du warst dabei zu erzählen, warum du Anthropologie studierst«, sagte sie und ließ es zu.
Sie lagen auf dem Sofa aus Sandsäcken hinter der Bar, aus dem man selbst nüchtern kaum wieder hochkam und wo das Licht angenehm gedämpft war. Im Sprachgebrauch der Epsilon-Omega-Leute hieß das hier ›die Jungfrauenfalle‹.
»Ah, ja. Genau. Anthropologie. Die Lehre vom Menschen.« Er musterte sie. Sie hatte ihre Haare zu einer kühnen Löwenmähne hochtoupiert, was vermutlich davon ablenken sollte, dass sie ziemlich mager war und praktisch keine Titten hatte. Aber auf Titten kam es ihm heute Abend nicht mehr an. EinSchatzkästlein, in dem er sein Juwel eine Weile unterbringen würde, hatte sie auf jeden Fall, und das war die Hauptsache.
»Weißt du, was das Erstaunliche ist, wenn man Anthropologie studiert?«, fuhr er fort und sagte sich, dass man noch nicht betrunken war, solange man ein Wort wie ›Anthropologie‹ aussprechen konnte. »Wie wenig man wirklich weiß. Das glaubt man als Laie gar nicht. Klar, es gibt eine Menge Theorien. Aber das sind eben nur Theorien. Geschichten. Was hieb- und stichfeste Fakten anbelangt, Beweise, die ein Gericht anerkennen würde – da sieht es echt mau aus.«
»Ehrlich?«, meinte sie. Langweilte sie sich? Einen Moment lang hatte er den Eindruck, aber dann sagte er sich, dass er sich irren musste. Mit James Michael Bennett III. langweilten sich Mädchen niemals.
Er musterte sie. Wie war noch mal ihr Name gewesen? Ach ja. Belinda. Ein schöner Name. Selten.
»Belinda«, gurrte er und sah ihr tief in die Augen. »Das ist ein wunderschöner Name, weißt du das? Ein ganz seltener Name noch dazu.«
»Das sagst du jetzt schon zum dritten Mal.«
Er hielt verdutzt inne. Wirklich? Er hätte es gerade nicht beschwören können. Egal. Unwichtig.
»So etwas«, belehrte er sie, »kann man nicht oft genug sagen. Eben weil der Name so selten ist. Belinda – das zergeht einem auf der Zunge.« Er züngelte ein bisschen, um sie auf anzügliche Gedanken zu bringen.
Sie lachte. »Also, du studierst Anthropologie, weil es da so wenig zu studieren gibt, hab ich das richtig verstanden?«
»Nein, nein.« Wie kam sie auf diese abstruse Idee? Also wirklich, wenn es eines gab, das Frauen besser bleiben lassen sollten, dann zu versuchen, logisch zu
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