Herr Bofrost, der Apotheker und ich
Richtung und lehnte sich zurück. Traurig, etwas unbehaglich blickte er Gertrud und mich an. »Ich will gar nicht um den heißen Brei herumreden. Aber was ich euch jetzt zu sagen habe, wird ein kleiner Schock für euch werden.«
Ein kleiner? Wie gelähmt starrte ich Klaus an. Na, komm, schlag schon zu!
»Ich ... es fällt mir schwer, euch das zu sagen, aber ...« Er rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Also, kurz und gut, ich höre auf. Sofort. Ab jetzt wird Max euer Ansprechpartner sein. Aber ich bin sicher, ihr werdet euch gut verstehen.«
»Aber warum denn, Klaus? Und warum so plötzlich?«
»Lenchen, ich muss kürzer treten, es geht mir nicht besonders. Die Pumpe, weißt du.«
Erst jetzt fiel mir auf, dass er nicht rauchte. Klaus ohne Zigarette in der Hand, das hatte ich noch nie gesehen. Gegen ihn war der Professor geradezu ein Vorbild an Enthaltsamkeit. »Ist es so schlimm?«, fragte ich erschrocken.
»Na, jedenfalls nicht so schön«, sagte Klaus. »Ich hatte neulich einen kleinen Schwächeanfall, und mein Arzt meint, ich solle sofort eine Kur machen. Stress abbauen. So was erzählt er mir zwar seit Jahren, aber jetzt setzt meine Frau mir auch noch zu. Und gegen beide zusammen komme ich nicht mehr an.« In seinen Augen blitzte die alte, mir nur zu gut bekannte Selbstironie.
Aber so leicht konnte er mich nicht täuschen. Es musste ernster um ihn stehen, als er zugab. Wenn er nicht mehr rauchte und aufhören wollte zu arbeiten, musste es ganz furchtbar ernst sein.
»Oh, Scheiße«, murmelte ich. »Klaus, das tut mir so Leid.« Für mich selbst übrigens auch.
Er lehnte sich zu mir herüber, berührte mich am Arm. »Lenchen, das ist kein Weltuntergang. Ich bin ja noch da. Und wenn du Probleme hast, kannst du immer zu mir kommen, das weißt du.«
Ich lächelte ihn an, blinzelte Tränen weg. »Ja, danke. Trotzdem ...« Für mich war es ein Weltuntergang. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie viel Klaus mir bedeutete. Wenn er nun sterben musste?
»Ich finde das sehr vernünftig, dass du dich endlich in deinen wohlverdienten Ruhestand zurückziehst, Klaus«, sagte Gertrud energisch. »Du hast wirklich Raubbau mit deiner Gesundheit getrieben, damit muss einmal Schluss sein. Natürlich tut es mir Leid, dass wir nun nicht mehr zusammenarbeiten, es war eine schöne Zeit mit dir. Ich verdanke dir sehr viel. Ohne dich wären meine Geschichten wahrscheinlich einfach in der Schublade verstaubt. Aber weißt du, du hast in deinem Leben so viele schöne Bücher auf den Weg gebracht, nun kannst du einfach dein Leben genießen.«
Au Mann, diese Frau hatte Größe! Sie war um Klassen besser als ich! Während ich um meinen Ersatz-Papi heulte, würdigte sie seine Arbeit, machte ihm Mut und den Abschied leicht. Ach, Lenchen, wann wirst du wohl erwachsen?
Jetzt! – beschloss ich und lächelte tapfer. »Ja, Gertrud hat Recht«, sagte ich fest. »Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist, Klaus, und das werde ich nie vergessen. Aber nun musst du an dich denken. Und ich wünsche dir, dass du dich schnell erholst und wieder ganz gesund wirst.« Ich suchte nach seiner Hand und drückte sie liebevoll. Es kam mir so vor, als würde ich mit dieser Geste tatsächlich etwas größer.
Strahlend wandte ich mich dem Mainzelmännchen zu. »Ich freue mich darauf, mit Ihnen zu arbeiten. Wir werden uns bestimmt verstehen.«
»Davon bin ich überzeugt. Wissen Sie, ich liebe die Kasimir-Bücher!« Er verteilte sein freundliches Mainzelmännchenlächeln gerecht auf Gertrud und mich. »Dass ich eines Tages mit Ihnen zusammenarbeiten würde, hätte ich mir nie träumen lassen. Und ... Ich habe da noch eine neue Projektidee, Frau Cornelius ... äh ... Spenger ...«
»Lena«, unterbrach ich ihn. »Wir duzen uns hier doch alle.«
Er grinste breit. »Ist auch besser so, dann legen wir unsere Beißhemmung ab! Also, ich hab da eine Katzengeschichte, hätten Sie ... hättest du Interesse?«
Na, aber hallo! Vielleicht konnte ich mich sogar den ganzen Sommer über in Rotenburg einquartieren und Ching Li als Modell benutzen?
Als wir mittags alle zusammen in der Verlagskantine saßen und ich mit dem Mainzelmännchen die Details des Katzenbuches diskutierte, kam ich mir plötzlich vor wie eine Verräterin: Der König ist tot, es lebe der König. Ich warf Klaus einen kurzen Seitenblick zu. Aber der unterhielt sich sehr vergnügt mit Gertrud Teichmann über Ausflugsziele in Mecklenburg-Vorpommern. Ich war beruhigt. Der
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