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Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Herr Bofrost, der Apotheker und ich

Titel: Herr Bofrost, der Apotheker und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Neuffer
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Zeit vorzuschlagen? Ich drehte mich erst mal auf den Rücken und streckte mich. Dass ich mich nicht von Phenyläthylaminen gedopt zu dieser unsäglichen Stunde aus dem Bett schwang wie ein verknallter Teenager, war schon einmal beruhigend. Es bedeutete, dass ich völlig gelassen zu diesem Frühstück gehen konnte. Ich war nicht verliebt. Steffen war absolut ungefährlich. Sehr gut!
    Beschwingt warf ich die Bettdecke zurück und flitzte ins Bad. Lauras Dusche war fast so wunderbar wie Ninas. Trotzdem schaffte ich es in rekordverdächtiger Zeit, fertig zu werden. Prummelte meine Habseligkeiten in den Trolley, schrieb Laura ein Zettelchen, verließ die Wohnung, machte auf dem ersten Treppenabsatz kehrt, weil ich meine Uhr im Bad hatte liegen lassen, verließ die Wohnung ein zweites Mal, warf den Schlüssel unten im Hausflur in den Briefkasten, rannte aus der Tür, stoppte nach hundert Metern, weil mein Auto ganz woanders stand, raste in die entgegengesetzte Richtung, warf meine Sachen in den Kofferraum und ließ mich auf den Fahrersitz fallen. Dreißig Minuten! Nicht schlecht, so ganz ohne Doping.
    Steffen saß schon an unserem Tisch. Vor ihm dampfte eine große Tasse Milchkaffee, eine zweite wartete auf mich.
    Schnell nahm ich einen Schluck. »Danke«, sagte ich und wischte mir den Schaum von der Oberlippe. »Und guten Morgen!«
    Steffen grinste. »Guten Morgen! Hast du verschlafen?«
    Ich sah ihn entrüstet an. »Wer? Ich? Wie kommst du denn darauf?«
    »Du hast deine Bluse schief zugeknöpft.«
    Ich sah an mir herab. Ach, Lenchen, mit der Eleganz wird das wohl nie was bei dir! – Aber egal, es war ja bloß Steffen. Ich richtete meine Bluse Knopf für Knopf und griff zur Karte. »Ich nehme das große Frühstück und dazu noch Spiegeleier auf Vollkornbrot.«
    »Gab es irgendwelche Versorgungsprobleme bei deiner Freundin?«, erkundigte Steffen sich besorgt.
    Ich sah ihn vorwurfsvoll an. »Na, hör mal, wir sind doch zum Frühstücken hergekommen, oder?«
    Beim Essen erzählte mir Steffen von seinen Eltern, einem rechtschaffenen Paar, das seiner Schwester und ihm mit Überfürsorglichkeit gründlich auf die Nerven gegangen war. Ob es wohl überhaupt irgendjemanden gab, der mit seinen Eltern zufrieden war? – Doch, ja, Holger. Der fand seine Eltern völlig in Ordnung, kritische Distanz seinerseits hatte ihr Verhältnis nie getrübt. Aber was nützte das? Holger würde wohl trotzdem kein so großartiger Vater werden.
    »Was hältst du von einem Alsterspaziergang, schöne Helena?«, fragte Steffen, als wir uns pappsatt in unseren Stühlen zurücklehnten.
    Ich sah auf die Uhr und sah aus dem Fenster. Es war erst elf, und die Sonne schien. Der Tag war leicht und frühlingsmild. Vielleicht zeigte sich schon ein Hauch von Grün an den Büschen auf den Alsterwiesen? »Hast du Zeit?«, fragte ich leichthin.
    Steffen lächelte. Die grünen Pünktchen flackerten. »Den ganzen Tag, wenn du willst.«
    Natürlich waren die Büsche noch braun und karg, die Wiesen bleich. Aber der Himmel war so blau, die Luft wie Seide und mein Lachen so gelöst. Ein Tag wie Klaviermusik. Perlend, glitzernd, sprudelnd. Auf dem Wasser flimmerte das Sonnenlicht, durch meinen Körper tanzte Schwerelosigkeit wie Millionen, Milliarden blubbernder Bläschen.
    Wir fassten uns an den Händen, liefen über die Wiesen, gingen langsamer, redeten über alles und nichts, unsere Träume und Erinnerungen – nur das Jetzt sparten wir sorgfältig aus. Wir setzten uns auf einen Steg am Wasserrand, unsere Küsse schmeckten nach Frühling und Milchkaffee und kribbelten nicht nur im Bauch, auch im Kopf Und überhaupt.
    Irgendwann hatten wir die Außenalster umrundet und landeten im ›Cliff‹ . Wir suchten uns einen Fensterplatz und bestellten Champagner. Er perlte leuchtend in den beschlagenen Gläsern. Ich blickte auf unsere Hände, verschlungen auf dem Tisch, seine Schulter an meiner, sein Bein an meinem. Ich lauschte einer oft gehörten Melodie, die in meinen Kopf spielte. »Je ne sais pas où tu commences, je ne sais pas où je finis.« Ich weiß nicht, wo du anfängst, ich weiß nicht, wo ich aufhöre. Ich hörte es samtweich durch das Knistern und Kratzen von Ninas Plattenspieler. Und plötzlich verstand ich den Text. Vorher hatte ich wohl nie richtig hingehört. Oder es einfach nicht begriffen?
    Das schrille Piepen meines Handys riss mich aus dem Zauber. Auch Steffen zuckte zusammen, rückte ein klein wenig ab, ohne meine Hand loszulassen. »Entschuldige«,

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