Herr der Daemmerung
um den Vampiren und Gestaltwandlern eine Falle zu stellen. Sie sah ihren Onkel an und machte eine bedauernde Bewegung mit Kopf und Schultern.
»Jez, das kannst du nicht einfach machen. Ich versuche wirklich, Verständnis zu haben, aber dies ist erst die zweite Schulwoche. Du kannst nicht wieder genauso anfangen, wie du das letzte Jahr beendet hast.« Er dachte nach. »Von jetzt an lässt du dein Motorrad zu Hause. Du fährst im Audi zusammen mit Claire zur Schule.«
Jez nickte. »In Ordnung, Onkel Jim«, sagte sie laut. Und jetzt geh, fügte sie im Stillen hinzu. Dünne Angstfäden zogen ihr den Magen zusammen.
»Danke.« Er lächelte sie an.
»Seht ihr?« Claires Stimme nahm einen Tonfall an, bei dem Glas hätte zerspringen müssen. »Genau davon rede ich! Du brüllst sie nie an! Liegt es daran, dass du Angst hast, sie könnte ebenso weglaufen, wie sie den Verwandten ihres Dads weggelaufen ist? Also müssen wir sie alle hier mit Samthandschuhen anfassen, nur weil sie sonst einfach verschwinden würde ...«
»Okay, das reicht. Ich höre mir das jetzt nicht länger an.« Tante Nan wedelte mit der Hand in Claires Richtung, dann drehte sie sich um, um Onkel Jim zu verscheuchen. »Ich werde den Tisch abräumen. Wenn ihr zwei streiten wollt, tut es bitte leise.«
»Nein, es ist besser, wenn sie ihre Hausaufgaben erledigen«, sagte Onkel Jim. »Ihr beide, verstanden?« Er sah Jez auf eine Weise an, die wahrscheinlich befehlend wirken sollte, am Ende jedoch einfach nur sehnsüchtig war. »Und morgen kommst du pünktlich nach Hause.«
Jez nickte. Dann waren die beiden Erwachsenen verschwunden, während Claire ihnen nachschaute. Jez war sich nicht sicher, doch sie glaubte, Tränen in ihren Augen zu sehen.
Ein Stich durchzuckte Jez. Natürlich hatte Claire absolut recht, was die lange Leine betraf, die Tante Nan und Onkel Jim ihr ließen. Und natürlich war das Claire gegenüber nicht fair.
Ich sollte ihr irgendetwas sagen. Armes kleines Ding. Sie fühlt sich wirklich mies ...
Doch noch bevor sie den Mund öffnen konnte, fuhr Claire herum. Ihre Augen, die noch eine Sekunde zuvor feucht gewesen waren, blitzten.
»Wart’s nur ab«, zischte sie. »Sie durchschauen dich vielleicht nicht, aber ich schon. Irgendetwas ist da im Busch, und ich werde herausfinden, was es ist. Und glaub bloß nicht , ich könnte es nicht.«
Sie drehte sich um und stolzierte zur Tür hinaus.
Jez stand für einen Moment sprachlos da, dann blinzelte sie und schloss die Tür. Sie sperrte ab. Und dann gestattete sie sich zum ersten Mal, seit sie den Ghoul entdeckt hatte, einen langen Atemzug auszustoßen.
Das war knapp gewesen. Und Claire meinte es ernst, was noch ein Problem werden würde. Aber jetzt hatte Jez keine Zeit, darüber nachzudenken.
Sie stellte auf dem Radiowecker auf ihrem Nachttisch einen Rocksender ein. Einen lauten. Dann schlug sie die Decken vom Fußende des Bettes auf und kniete sich hin.
Der Junge lag mit dem Gesicht nach unten, einen Arm über den Kopf gelegt. Jez sah keine Spur von Blut. Sie fasste ihn an den Schultern und rollte ihn vorsichtig herum.
Und dann stockte ihr der Atem. »Hugh!«
Kapitel Fünf
Das helle Haar des Jungen war relativ lang und fiel ihm unordentlich über die Stirn. Er hatte ein nettes Gesicht, ernst, aber mit einem unerwarteten Grübchen im Kinn, das ihm ein leicht verschmitztes Aussehen bescherte. Er war muskulös, aber relativ kompakt; wenn er stand, das wusste Jez, war er nicht größer als sie. Auf seiner Stirn entwickelte sich eine große Beule, direkt unter dem Haar. Der Ghoul hatte ihn wahrscheinlich gegen irgendetwas gestoßen.
Jez sprang auf und holte einen blauen Plastikbecher mit Wasser von ihrem Nachttisch. Sie schnappte sich ein sauberes T-Shirt vom Boden, tauchte es ins Wasser und strich dem Jungen dann sanft das Haar aus der Stirn.
Es fühlte sich seidig an unter ihren Fingern. Noch weicher, als sie gedacht hätte. Jez behielt eine ausdruckslose Miene bei und begann, sein Gesicht mit dem feuchten T-Shirt abzuwaschen.
Er bewegte sich nicht. Jez’ Herzschlag beschleunigte sich noch weiter. Sie holte tief Luft und fuhr fort, dem Jungen über das Gesicht zu wischen.
Obwohl es wahrscheinlich nichts mit dem Wasser zu tun hatte, bewegten sich endlich seine dunklen Wimpern. Er hustete, atmete, blinzelte und sah sie an.
Erleichterung durchströmte Jez. »Versuch noch nicht, dich aufzurichten.«
»Das sagen sie alle«, stimmte er zu und richtete sich auf. Er griff sich an den
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