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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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sieht er etwa unglücklich aus? Ich würde auch Geld für uns verdienen, wenn man mich ließe.«
»Das musst du noch früh genug«, antwortete Victor. Prosper verbarg das Gesicht in seinen verschränkten Armen. »Ich wünschte, ich war schon erwachsen«, murmelte er.
Mit einem tiefen Seufzer lehnte Victor den Kopf gegen die kalte Wand. »Erwachsen, so, so. Herrgott, soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich wundere mich immer noch, wenn ich in den Spiegel schau und mir mein altes Gesicht angucke. Victor, denk ich manchmal, du bist ja schon ganz schön groß geworden. Als Kind wollte ich auch immer erwachsen sein. Ich habe mir sogar mal einen Zaubertrank gebraut, aus Rasiercreme, Bier und anderen scharf riechenden Sachen, die mein Vater gern zu sich nahm. Hat nicht gewirkt. Gott, war mir schlecht damals. Aber dein Bruder hat, glaube ich, eine Menge Spaß daran, ein Kind zu sein, oder?«
»Das würde Esther ihm schon gründlich austreiben«, antwortete Prosper. »Sie hält nicht viel von Spaß. Und ihr Mann schon gar nicht.«
»Da könntest du Recht haben.« Victor seufzte. »Ich schätze, eure Mutter war ihrer Schwester nicht besonders ähnlich, was?« Prosper schüttelte den Kopf. »He, wo ist die Schildkröte?«, fragte er besorgt, stand auf und öffnete die Tür der einzigen Toilettenkabine. Suchend leuchtete er mit der Taschenlampe in den engen Verschlag. »Komm her!«, hörte Victor ihn leise rufen. »Wo willst du denn hin, hier gibt es nichts zu entdecken.«
»Ich glaube, wir sollten Paulas Spaziergang beenden«, sagte Victor, als Prosper mit der Schildkröte auf dem Arm zurückkam. »Sie holt sich nur kalte Füße auf den Fliesen. Das ist bestimmt nicht gut für ihre Erkältung.« »Stimmt«, murmelte Prosper, setzte Paula vorsichtig zurück in ihren Karton und hockte sich wieder neben Victor auf die Decke. »Haben Sie auch einen Bruder?«, fragte er.
Victor schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hatte keine Geschwister. Aber ist es nicht so, dass Geschwister auch eine ziemliche Plage sein können?«
»Kann sein.« Prosper zuckte die Achseln. »Bo und ich, wir haben uns immer gut vertragen. Na ja, fast immer. Verdammt.« Er fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen. »Jetzt fang ich auch noch an zu heulen.« Victor räusperte sich.»Deine Tante sagt, ihr seid hierher gekommen, weil eure Mutter euch so viel von Venedig erzählt hat.« Prosper putzte sich die Nase. »Stimmt«, sagte er mit belegter Stimme. »Das hat sie. Und es ist alles so, wie sie erzählt hat. Als wir am Bahnhof aus dem Zug stiegen, Bo und ich, da hatte ich plötzlich Angst, dass sie sich alles nur ausgedacht hat, die Häuser auf Stelzen, die Straßen aus Wasser, die geflügelten Löwen. Aber es war alles wahr. Die Welt ist voller Wunder, hat sie immer zu uns gesagt.«
Victor schloss für einen Augenblick die Augen. »Hör mal zu, Prosper«, sagte er müde. »Vielleicht kann ich ja noch mal mit deiner Tante reden… damit sie euch beide nimmt…« Prosper presste ihm die Hand auf den Mund. Jemand war vor der Tür. Und es war nicht Mosca. Dessen Schnarchen war immer noch deutlich zu hören. »Bo!«, zischte Prosper, als sich ein tintenschwarzer Kopf durch die Tür schob. »Was suchst du denn hier? Geh sofort wieder schlafen!«
Doch Bo war schon zu ihnen hereingeschlüpft. »Was machst du hier, Prop?«, murmelte er verschlafen. »Willst du Victor in den Kanal schmeißen?«
»Wie kommst du denn auf so was?« Prosper guckte seinen Bruder entgeistert an. »Los, geh ins Bett zurück.« Bo zog die Tür leise hinter sich zu. »So wie Mosca könnte ich auch Wache halten!«, sagte er und trat fast in den Schildkrötenkarton. Erschrocken zog er den Fuß zurück.
»Darf ich vorstellen?«, sagte Victor. »Das ist Paula.« »Hallo, Paula«, murmelte Bo und hockte sich zwischen Prosper und Victor auf die Decke. Nachdenklich bohrte er den Finger in die Nase und starrte Victor an. »Du bist ein ziemlich guter Lügner, was?«, sagte er. »Willst du uns wirklich für Esther fangen? Wir gehören ihr aber gar nicht.«
Victor starrte verlegen seine Schuhspitzen an. »Na ja, Kinder müssen nun mal irgendwo hingehören«, brummte er. »Gehörst du jemandem?«
»Das ist was anderes.«
»Weil du erwachsen bist, was?« Bo lugte neugierig in die Schildkrötenschachtel, aber von Paula war nur der Panzer zu sehen. »Prosper passt schon auf mich auf«, sagte Bo. »Und Wespe. Und Scipio.«
»So, so, Scipio«, brummte Victor. »Ist der noch hier, dieser Scipio?«
»Nein, der

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