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Herr der Diebe

Herr der Diebe

Titel: Herr der Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Funke Cornelia
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Gesicht.
»Ich hab keine Angst«, sagte Bo. »Das ist bestimmt nur eine Gummipistole.«
»So, so, denkst du.« Victor verkniff sich ein Grinsen. »Du bist ja ein ganz Schlauer.« Er ließ den Kleinen nicht aus den Augen. Leider hatte er dadurch die Sitzreihe neben sich nicht im Blick. Und als er spürte, wie sich zwischen den Klappsesseln links und rechts von ihm etwas regte, war es schon zu spät. Bevor Victor wusste, wie ihm geschah, warfen sich fünf Kinder auf ihn. Sie rissen ihn von den Füßen, warfen ihn zu Boden wie einen Sack Kaffeebohnen und setzten sich auf seinen Bauch. Sosehr er auch um sich schlug und trat, Victor schaffte es nicht, sich zu befreien. Die Taschenlampe war ihm aus der Hand gefallen und rollte über den Boden, leuchtete mal hierhin, mal dahin. Victor glaubte das Mädchen zu erkennen, das ihm die Frauen mit den Handtaschen auf den Hals gehetzt hatte. Es hielt seinen rechten Arm fest, der Mohrenkopf hielt seinen linken gepackt, und zwei andere, wahrscheinlich Prosper und der Igel, klammerten sich an seine Beine. Mitten auf Victors Brust aber, mit einem schadenfrohen Lächeln auf dem schmalen Gesicht, die schwarzen Augen spöttisch zusammengekniffen, thronte Scipio und drückte dem Gefangenen die Knie in die Seiten wie einem widerspenstigen Pferd. »Verdammter kleiner Bastard!«, brüllte Victor. »Du…« Weiter kam er nicht. Scipio stopfte ihm einfach einen Lappen zwischen die Zähne. Einen stinkenden, feuchten Lappen, der nach nassem Katzenfell roch.
»Was machst du da? Sollen wir ihn nicht erst aushorchen?«, fragte der schwarze Junge verblüfft. »Wir wissen doch nicht mal, ob er wirklich nur hinter Prosper und Bo her ist.«
»Genau!« Der Igel bohrte nervös die Zungenspitze zwischen die Zähne. »Lass ihn uns fragen, wie er uns gefunden hat, Scipio.«
»Ach was, der erzählt uns doch sowieso nur Lügen«, antwortete Scipio. »Fesselt ihn lieber.«
Zögernd holten die anderen alles, was sie an Stricken und Gürteln finden konnten. Sie verschnürten Victor, bis er aussah wie eine Seidenraupe. Das Einzige, was er noch konnte, war, wütend mit den Augen zu rollen. »Ihr tut ihm doch nicht weh, oder?« Das war Bo. Mit besorgtem Gesicht beugte er sich über ihn. Plötzlich kicherte er. »Du siehst komisch aus, Victor«, stellte er fest. »Bist du wirklich ein Detektiv?«
»Ja, das ist er, Bo.« Prosper schob seinen kleinen Bruder zur Seite, bückte sich und durchsuchte Victors Taschen. »Ein Telefon«, sagte er, »und… tatsächlich«, vorsichtig hielt er Victors Revolver hoch, »guckt euch das an, ich dachte, er schneidet nur auf.«
»Gib her, ich versteck das.« Wespe nahm Prosper die Pistole so behutsam aus den Händen, als fürchte sie, das Ding könne ihr zwischen den Fingern explodieren. »Guckt nach, was er noch dabeihat!«, befahl Scipio und erhob sich von Victors Brust. Nachdenklich stand er da und blickte auf seinen Gefangenen herunter. »Tja, Herr Detektiv«, sagte er mit leiser, drohender Stimme. »Legen Sie sich nicht mit dem Herrn der Diebe an.« Dann gab er den anderen einen Wink. »Los, schafft ihn ins Männerklo.«

Sie legten für Victor eine Decke auf die kalten Fliesen. Immerhin. Trotzdem hatte er es nicht gerade gemütlich. Gefangen und gefesselt, das war ihm noch nie passiert. Eingeschlossen in ein altes Kinoklo, von einer Bande Kinder! Und Dottor Massimos feiner Sohn hatte ihm so schnell den Knebel zwischen die Zähne gestopft, dass er nicht einmal dazu gekommen war, den kleinen Bastarden zu sagen, dass draußen vor der Tür in einem zugigen Karton eine arme erkältete Schildkröte lag.
Die Stunden verstrichen und Victor dachte immer wieder dasselbe: Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte es wissen müssen, als diese spitznasige Esther in mein Büro gekommen ist mit ihrem quittengelben Mantel. Gelb war schon immer seine Unglücksfarbe gewesen. Er versuchte gerade zum zwanzigsten Mal vergeblich, an seinen Schuh zu kommen, weil sich in dessen Absatz ein paar nützliche Hilfsmittel für Notfälle befanden, als plötzlich hinter seinem Rücken die Tür aufging. Ganz leise, als hätte der, der da hereinschlich, etwas vor, das unbemerkt bleiben sollte. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Wahrscheinlich nichts Gutes. Beunruhigt versuchte Victor sich umzudrehen.
Eine Taschenlampe leuchtete ihm ins Gesicht und jemand kniete sich neben ihm auf die kratzige Decke. Prosper. Erleichtert seufzte Victor auf. Er wusste selbst nicht, wieso, denn Prosper musterte ihn alles andere

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