Herr der Finsternis
gegen Sonnenuntergang legte ich mich zum Schlafen nieder, so schwermütig und traurig, daß es mich wenig kümmerte, ob die Indianer zurückkamen und mich ergriffen. Am nächsten Tag wartete ich auf die Ebbe, um mir wieder Krebse zu fangen.
So lebte ich drei oder vier Tage allein. Erneut versuchte ich, die Toten zu begraben, doch auf der Insel war die Erde hart und voller Steine, und am Strand gab der Sand nach und brach zusammen, als ich ein Loch aushob, so daß ich keine Gräber machen konnte. Ich hätte Steine an die Männer gebunden und sie im Meer begraben, doch ich hatte keine Stricke, um sie an ihnen festzubinden, und es erschien mir unchristlich, sie einfach ins Wasser zu stoßen, wo sie in der Brandung treiben und sich aufblähen und von Raubfischen gefressen werden würden. So tat ich nichts, empfand nur Scham, sie unbegraben zu lassen. Ihr Gestank wurde lästig und ihr Anblick abstoßend, und so zog ich um die Spitze der Insel weiter und gelangte zu einem kleinen Fluß, der ins Meer floß.
Wegen des Süßwassers gedachte ich, hier zu verweilen. Doch ich war kaum ein halbes Viertel einer Stunde dort, als ich sah, wie ein großes Ding aus dem Wasser kam, mit großen Schuppen auf dem Rücken, mit großen häßlichen Klauen und einem langen Schwanz. Ich wußte es damals noch nicht, doch später würde ich erfahren, daß dieses Tier als das Coccodrillo bekannt ist und in einigen Teilen der Welt auch Allagardo genannt wird.
Dieses Ungetüm versetzte mich in eine Angst, in der ich beinahe gestorben wäre. Es kam auf mich zu, und ich wollte, nay, konnte nicht fliehen, sondern ging einfach, wie von Zauberei getrieben, darauf zu. Als ich es beinahe erreicht hatte, blieb ich stehen, erstaunt, ein solch monströses Ding vor mir zu sehen. Es war wie ein Teufelsding, ein Zauberwesen, etwas, das aus der Hölle gekommen war, um mich zu ergreifen, und ich unterwarf mich völlig seiner bösen Kraft. Daraufhin schien dieses Untier zu lächeln, öffnete das Maul und stieß eine lange Zunge aus, die mich an eine Harpune erinnerte. Ich vertraute mich Gott an und befürchtete schon, in Stücke gerissen zu werden, doch das Geschöpf wandte sich ab und kehrte zum Fluß zurück.
Am nächsten Tag ging ich weiter um die Insel herum, weil ich Furcht hatte, länger an diesem Ort zu verweilen, und fand einen großen Wal, der auf dem Strand lag wie ein Schiff kielaufwärts und vom langen Liegen gänzlich mit einem kurzen Moos bedeckt. Als ich dieses Wunder betrachtete, rief eine vertraute Stimme: »Andy, bei der Liebe Jesu!« Es war Thomas Tomer, der an der anderen Flanke des Wals sein Lager aufgeschlagen hatte.
Eine gewaltige Freude stieg in mir empor, als ich ihn erblickte, denn er gab mir die Hoffnung, vielleicht doch von diesem Ort entkommen zu können, was nicht leicht für zwei sein würde, aber fast unmöglich für einen einzigen. Wir umarmten uns wie Brüder.
»Ich fürchtete, ich sei allein zurückgeblieben«, sagte ich zu ihm.
»Nay, es gibt noch mehr von uns«, sagte Tomer und führte mich um des Wals schwere Schwanzhälften herum. »Sieh doch«, sagte er, und ich erblickte drei weitere von unserer Besatzung, Richard Jennings und Richard Fuller und einen, dessen Namen die Jahre aus meiner Erinnerung gespült haben. Diese Männer hatten sich im Augenblick des Angriffs der Indianer an verschiedenen Orten aufgehalten, und ein jeder war einen anderen Weg in den Wald geflohen, und einer nach dem anderen hatten sie sich hier zusammengefunden. »Bei Jesu Wunden«, rief Richard Jennings, ein großer, beleibter Mann, halb so groß wie ein Eichenbaum. »Weißt du, Battell, daß wir von dem feigen Cocke verraten und zurückgelassen wurden und den Rest unseres Lebens zwischen diesen Krebsen und anderen Insekten verbringen müssen?«
»Aye«, erwiderte ich, »ich weiß von dem Verrat, denn ich sah, wie das Schiff ablegte. Doch was den zweiten Teil betrifft, so sage ich dir, nay, mein Freund. Ich glaube, wir werden England wiedersehen.«
»Glaubst du das? Werden Delphine uns dorthin tragen?«
»Gott wird dafür sorgen. Und wenn Er es nicht tut, müssen wir selbst dafür sorgen, oder diese Krebse werden fürwahr auf ewig unsere Nachbarn bleiben. Gibt es hier noch andere von uns?«
»Nur wir vier«, sagte Tomer, »und du bist der fünfte. Ich glaube nicht, daß es auf dem Teil der Insel hinter uns noch andere gibt. Gab es in deiner Richtung noch welche?«
»Nur sechs Tote, die unbegraben auf dem Strand liegen und verfaulen. Doch
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