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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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fünf von uns sind genug, um ein Boot zu bauen und es zum Festland zu bringen«, sagte ich und erläuterte meinen Plan, in Santos eine portugiesische Pinasse zu kapern und sie zu benutzen, um mit kleinen Hopsern und Sprüngen den Ozean zu überqueren. Sie lauschten mir aufmerksam und ohne zu spotten. Fuller war Schiffszimmermann, was uns für unser Vorhaben einen großen Vorteil verschaffte. Wir sprachen davon, einen umgestürzten Baum zu suchen und als Schiffshülle auszuhöhlen, und von weiteren derartigen Absichten, und als wir sprachen, erkannte ich, daß ich stillschweigend zum Anführer dieser Männer geworden war. Dies überraschte mich immens, denn ich hatte nur die Erfahrung eines gemeinen Matrosen und nie irgendeine Befehlsgewalt gehabt, war sogar in vielerlei Hinsicht herabgesetzt und -gewürdigt, weil ich der jüngste von so vielen Brüdern war. Doch das zählte hier nichts.
    Ich war an Jahren dreißig und hatte einen starken Körper, und die Fehlschläge oder Geringschätzungen, die mich in meiner Jugend beeinträchtigt haben mochten, waren meinen Gefährten unbekannt und hatten keine Bedeutung. Ich glaube auch, daß es meine Entschlossenheit war, wieder nach England zurückzukehren, die wie ein Leuchtfeuer aus meiner Seele strahlte, ihnen Mut gab und bewirkte, daß sie sich mir zuwandten; denn bis ich zu ihnen gestoßen war, hatten diese vier sich nur damit beschäftigt, Nahrung und Unterkunft zu suchen, und an einen Rettungsplan keinen Gedanken verschwendet.
    Wir speisten von dem Fleisch des Wals, das noch nicht verdorben, aber nicht sehr nach meinem Geschmack war, und sprachen lange und ernsthaft über unser Vorhaben, und danach begaben wir uns auf die Suche nach Holz, mit dem wir unser Boot bauen konnten. Ob wir dieses Vorhaben jemals verwirklicht hätten, ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann, doch ich sage Euch, daß seine Planung uns Hoffnung gab, ohne die das Leben für uns fürwahr grausam gewesen wäre.
    Ein Ozean trennte mich von meiner Anne Katherine. Eine tropische Sonne verbrannte meine Haut. Summende Geschöpfe fielen in Wolken über uns her und bissen und stachen. Alptraumhafte Geschöpfe hausten in den Flüssen und konnten jeden Augenblick über uns herfallen. Und doch verzweifelte ich nicht, denn welchen Nutzen hat die Verzweiflung? Und meine Stärke wurde die der anderen. Ich sprach von Plänen, von denen selbst ich wußte, daß sie schierer Wahnsinn waren, und ließ sie möglich erscheinen.
    Am deutlichsten erinnere ich mich an den Vorschlag, die gesamte Küste dieses südlichen Amerika hinaufzufahren und von Westindischer Insel zu Westindischer Insel und aye! nordwärts nach Virginia, wo Walter Raleigh auf der Insel Roanoake eine Kolonie gegründet hatte. In meiner Vorstellung war diese Entfernung nicht so groß, obwohl sie in Wirklichkeit fast genauso groß ist wie die zu Afrika, und wir wären den gesamten Weg über in feindlichen Gewässern gewesen. Doch die Vorstellung, tollkühn oder nicht, gab uns ein paar Tage lang Kraft. Und am Ende spielte ihre Tollkühnheit gar keine Rolle, da wir niemals die Gelegenheit hatten, sie zu verwirklichen, was wir der Rückkehr der Indianer verdankten.
    Sie kamen so verstohlen wie Katzen über uns. Ein Kanu, von ihnen bemannt, landete auf der westlichen Seite unserer Insel, und sie bahnten sich den Weg durch die Wälder, tauchten aus den Nebeln der Morgendämmerung auf und umzingelten uns, die Bögen auf uns gerichtet, in einem weiten Kreis. Ihre Bögen waren lang und schwarz und ihre Pfeile ebenso, mit Spitzen aus geschärftem Rohr, und sie hätten uns liebend gern aufgespießt, wenn wir Widerstand geleistet hätten. Doch Widerstand wäre Torheit gewesen. Diese Indianer waren nackt, und einige waren zu einem Viertel mit ihren Farben bemalt, andere zur Hälfte und wieder andere ganz wie eine Tapisserie. Sie alle hatten ihre Lippen durchbohrt; manche hatten Knochen darin, viele andere aber nicht. Alle waren bis über die Ohren rasiert; ebenso waren ihre Augenwimpern und -brauen rasiert. All ihre Stirnen waren von einer Schläfe zur anderen mit schwarzer Farbe bemalt, so daß es schien, sie trügen zwei Zoll breite Bänder darum. Ihr Häuptling sprach schnatternd auf uns ein, so klang es jedenfalls: »Amma thamma hula hai« und ähnliche Worte, die er fünf oder sieben Mal wiederholte.
    »Du verstehst dich gut auf Sprachen, Andy«, sagte Tomer zu mir. »Erkläre ihnen, daß wir ihnen nichts Böses wollen, daß wir Feinde der Portugiesen

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