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Herr der Finsternis

Herr der Finsternis

Titel: Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sind und hoffen, Freunde seines Volkes sein zu können.«
    »Soll ich es mit Amma und Thamma sagen?« fragte ich.
    Der Häuptling sprach erneut. Ich versuchte, seine Worte nachzuahmen, obwohl es wundersam kitzlig ist, eine Sprache unter einer Pfeilspitze zu lernen. Wir hätten den ganzen Morgen über solchen Unsinn hin und her sprechen können, bis sie die Geduld verloren und uns erschlagen hätten, doch dann sagte der Häuptling ein paar Worte in unmißverständlichem Portugiesisch, und diese Worte lauteten: »Ihr kommt mit uns.«
    »Ich glaube«, sagte ich zu meinen Gefährten, »das sind zahme Indianer, die zu den Portugiesen gehören. Sie werden uns nicht erschlagen, eher zu Sklaven machen.«
    »Besser, sie würden uns erschlagen«, stieß Richard Jennings hervor.
    »Nay«, sagte ich, »Tote entkommen niemals, sondern liegen auf ewig tot hernieder. Die Sklaverei ist nicht so fortdauernd. Und diese Indianer nehmen uns nur die Mühe ab, auf eigene Faust nach Santos zu gelangen.«
    So führten uns die Indianer in ihrem Kanu, das sie aus einem ganzen Baumstamm gemacht hatten, zum Festland hinüber. Als wir dort an Land gingen, sahen wir eine Ortschaft von ein paar hundert Bewohnern, und es war sehr still, und in der Stille hörten wir, wie eine Glocke läutete.
    »Es muß Sonntag sein«, sagte Tomer, und wir alle spuckten aus, denn diese Glocke verriet uns, daß die Portugiesen bei ihrer Messe waren und im gleichen Augenblick der Mönch die Hostie des Sakramentes vor dem Volke hochhielt, damit die Leute es anbeteten. So war es denn auch, denn die Indianer marschierten direkt zur Kirche und hätten uns hineingestoßen. Doch ein Portugiese in ledernen Kniehosen kam heraus und verbot es. »Ihr dürft nicht eintreten. Ihr seid keine Christen.«
    Ich übersetzte dies für die anderen, und Richard Fullers Gesicht färbte sich rot, und er rief: »Ich würde dieses Gebäude nicht einmal betreten, um darin zu scheißen!« und so weiter. Der Portugiese, glaube ich, verstand etwas Englisch, oder er entnahm Fullers Ton den Sinn seiner Worte, denn seine Augen wurden sehr kalt, und er nahm ein schweres silbernes Kruzifix von seinem Hals, hielt es vor Richard Fullers Mund und befahl ihm, es zu küssen. Ich wußte, was Fuller wohl tun würde, und sagte noch: »Gib acht!« doch es war zu spät, denn Fuller hatte in seinem Mund schon einen Klumpen Schleim gesammelt und spuckte ihn über das Bild Jesu und die Hand des Portugiesen. Woraufhin dieser das silberne Idol nahm und es über Richard Fullers Mund zog, daß die Lippe gespalten wurde und die Zähne ausbrachen und Blut in seinen Bart rann, und dann die Spitze des Kruzifixes so hart in Fullers Unterleib stieß, daß der Mann würgte und sich übergab; und er winkte mit der Hand, und die Indianer führten Fuller ab zu ein paar Bäumen hinter der Stadt.
    Wir haben ihn nie wiedergesehen. Ich konnte nicht glauben, daß ein Europäer einen anderen in diesem fremden Land töten würde, nur weil er ein papistisches Symbol nicht respektierte – dazu wäre vielleicht nur ein Spanier fähig, doch von den Portugiesen hatte ich eine höhere Meinung gehabt. So nehme ich an, daß sie Fuller nur in Einzelhaft hielten, um ihn wegen seiner Unfrömmigkeit zu bestrafen. Doch seit diesen Tagen habe ich viel von der Welt und ihren Grausamkeiten gesehen, und nun weiß ich, daß auch wegen viel geringerer Anlässe Blut vergossen wird, manchmal aus überhaupt keinem Grund, von Portugiesen und Spaniern und Franzosen und Holländern und allen anderen, und selbst ein Engländer ist imstande, einen Menschen wegen einer vorgeblichen oder tatsächlichen Beleidigung seiner Religion zu ermorden, wenngleich er vielleicht zuerst Gericht über ihn halten würde. Hat König Heinrich nicht einem Mann den Kopf abschlagen lassen, weil er freitags Fleisch gegessen hat, und hat Königin Maria nicht gute Protestanten wie Ochsen über einem Feuer schmoren lassen, weil sie gegen den Papst gesprochen haben? Ich glaube, dies ist nicht die Art Jesu, sondern die Art von Herrschern und Menschen und auch nicht ungewöhnlich.
    Wir anderen wurden ein paar Tage lang im Keller eines Vorratshauses gefangengehalten, wobei Ketten um unsere Fuß- und Handgelenke gelegt wurden, und man ließ uns essen, indem man uns Schüsseln mit der zerstampften Wurzel namens Maniok gab, die wir wie Hunde mit unseren Zungen auslecken mußten. Der Statthalter dieses Ortes kam zu uns und sprach mit mir, warum wir in das Gebiet der Portugiesen eingedrungen

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