Herr Der Fliegen
Wickelkinder und Angsthasen. Das seid ihr! Und von wegen Angst – da müßt ihr euch mit abfinden, wir andern tun’s ja auch.«
Ralph starrte Jack mit offenem Mund an, aber Jack sah nicht hin.
»Ist doch klar: ein Traum tut euch nichts, und die Angst auch nicht. es gibt keine wilden Tiere auf der Insel, ihr braucht gar keine Angst zu haben.« Sein Blick glitt die Reihe der flüsternden Kleinen entlang. »Es würde euch ganz recht geschehen, wenn euch einer holen käme, ihr nichtsnutzigen Schreihälse! Aber es gibt kein wildes Tier –«
Ralph unterbrach ihn gereizt. »Was soll denn das alles? Wer hat denn was von einem Tier gesagt?«
»Na du neulich. Du hast gesagt, sie träumen schlecht und schreien. Jetzt geht schon’s Gerede los – nicht nur die Kleinen, auch meine Jäger manchmal, von so ’nem Ding, was Schwarzes, ein wildes Tier oder so. Ich hab’s gehört. Das hast du nicht gedacht, was? Jetzt hört mal her. Auf kleinen Inseln gibt’s keine großen Tiere. Nur Schweine. Löwen und Tiger gibt’s nur in großen Ländern wie Afrika und Indien –«
»Und im Zoo –«
»Ich hab die Muschel! Ich will jetzt nicht von Angst reden, sondern von dem wilden Tier. Meinetwegen habt Angst. Aber’n wildes Tier –«
Jack hielt inne, die Muschel auf den Armen, und wandte sich an die Jäger mit ihren dreckigen schwarzen Mützen.
»Bin ich ein Jäger oder bin ich keiner?«
Sie nickten nur. Freilich war er ein Jäger. Keiner hatte das bezweifelt.
»Also gut. Ich bin auf der ganzen Insel gewesen. Allein. Wenn ein wildes Tier da wäre, hätt’ ich’s gesehen. Habt Angst, wenn ihr Lust habt – aber im Wald gibt’s kein wildes Tier!«
Jack gab das Muschelhorn zurück und setzte sich. Die ganze Versammlung klatschte erleichtert Beifall. Da streckte Piggy den Arm aus.
»Jack hat schon recht, glaub ich, aber nicht ganz. Freilich gibt’s kein wildes Tier. Wie soll denn das da hinkommen? Was soll denn das fressen?«
»Schweinefleisch!«
»Wir essen Schweinefleisch.«
»Piggy! Schweinchen!«
»Die Muschel hab ich!« rief Piggy unwillig. »Ralph – die haben ruhig zu sein, oder? Ihr haltet die Klappe, da, die Kleinen! Nur – mit der Angst, das stimmt nicht. Natürlich ist im Wald nichts Schlimmes. Ha – ich war ja selbst drin. Nächstens kommt ihr noch mit Gespenstern und so. Wir wissen, was los ist, und wenn was nicht stimmt, dann muß man’s in Ordnung bringen.«
Er setzte die Brille ab und sah sich blinzelnd um. Die Sonne war verschwunden, wie wenn man am Lichtschalter dreht.
Er wollte das Ganze erklären.
»Wenn ihr’n Schmerz habt im Bauch, groß oder klein –«
»Deiner ist groß!«
»Wenn ihr fertig seid mit Lachen, dann können wir vielleicht weitermachen. Und wenn die Kleinen da wieder auf den Knorzen klettern, macht’s gleich wieder bums. Ihr könnt doch genausogut auf dem Boden sitzen und zuhören. Nein, ich wollt’ nur sagen, es gibt Ärzte für alles, sogar für innen im Kopf. Wollt ihr wirklich, daß wir dauernd Angst haben wegen nichts? Das Leben«, sagte Piggy ausholend, »ist was Wissenschaftliches, und sonst nichts. In ein, zwei Jahren, wenn der Krieg aus ist, dann fahren sie zum Mars und wieder zurück. Ich weiß, daß es kein wildes Tier gibt – mit Krallen und so mein ich – aber es gibt auch keine Angst.«
Piggy machte eine Pause.
»Außer –«
Ralph rückte unruhig hin und her.
»Außer was?«
»Außer wenn einer vorm andern Angst hat.«
Ein Laut, halb Lachen, halb Gespött, klang Piggy entgegen. er zog den Kopf ein und fuhr hastig fort.
»Dann wollen wir mal den Kleinen hören, der was von einem wilden Tier gesagt hat, und vielleicht können wir ihm zeigen, was er für’n Dummkopf ist.«
Die Kleinen plapperten miteinander, dann trat einer vor.
»Wie heißt du?«
»Phil.«
Für sein Alter war er selbstbewußt. er streckte die Hände aus, hielt das Muschelhorn auf den Armen wie Ralph und blickte in die Runde, um die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen, bevor er begann.
»Gestern nacht hab ich geträumt, ganz schrecklich, ich hätte mit was gekämpft. Ich war allein draußen vor der Hütte und hab mit dem Zeugs da, dem Schlingzeug in den Bäumen gekämpft.«
Er hielt inne, und die andern Kleinen lachten in erschauerndem Mitempfinden.
»Dann bin ich erschrocken und aufgewacht. Und da war ich ganz allein vor der Hütte und das Schlingzeug war fort.«
Das Entsetzen war so greifbar, so verständlich, und das nackte Grausen packte sie und verschlug ihnen die
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