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Herr Der Fliegen

Herr Der Fliegen

Titel: Herr Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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Sprache.
    Hinter der weißen Muschel piepste die Stimme des Kleinen weiter.
    »Und ich hab Angst gekriegt und hab Ralph rufen wollen und da hab ich gesehen, wie sich zwischen den Bäumen was bewegt hat, was Großes, Schreckliches –«
    Er verstummte, von der Erinnerung erneut bedrückt, doch gleichzeitig auch stolz auf die Wirkung seiner Worte. »Das war ein Alptraum«, sagte Ralph, »Er hat bloß geschlafwandelt.«
    Die Versammlung murmelte gedämpfte Zustimmung.
    Der Kleine schüttelte beharrlich den Kopf.
    »Wie die Schlingdinger da auf mich los sind, hab ich geschlafen, aber wie sie weg waren, da war ich wach, und da hat sich was Großes, Schreckliches zwischen den Bäumen bewegt.«
    Ralph griff nach dem Muschelhorn, und der Kleine setzte sich.
    »Du hast geschlafen. es war gar nichts da. Warum soll denn jemand nachts draußen rumlaufen? Ist einer draus gewesen? Ist jemand mal rausgegangen?«
    Es entstand eine lange Pause, und die Versammlung grinste bei dem Gedanken, daß einer im Dunkeln draußen herumlaufen könnte. Dann stand Simon auf, und Ralph sah ihn überrascht an.
    »Du! Was hast du dich denn im Dunkeln draußen rumgetrieben?«
    Simon ergriff krampfhaft die Muschel.
    »Ich wollte – wo hingehen – ich bin schon öfter dagewesen.«
    »Wo?«
    »Ich kenn die Stelle. Da im Dschungel.« er zögerte. Jack schloß die Frage ab mit jener Verachtung in der Stimme, die so lustig und endgültig klang.
    »Er hat mal wohin gemußt.«
    Mit einem Gefühl der Demütigung Simons wegen nahm Ralph die Muschel wieder an sich und sah Simon dabei fest an.
    »Na gut, tu’s nicht wieder, klar? Nicht nachts. es wird grad genug von wilden Tieren gefaselt, die Kleinen brauchen dich nicht auch noch rumschleichen zu sehen wie ein –«
    In das spöttische Lachen der Versammlung mischte sich Furcht und Verdammung. Simon wollte etwas sagen, aber Ralph hatte das Muschelhorn, so ging er an seinen Platz zurück.
    Als es wieder still geworden war, wandte sich Ralph an Piggy.
    »Na, Piggy?«
    »Es war noch einer da. Der da.«
    Die Kleinen schoben Percival nach vorn und ließen ihn stehen. Das Gras in der Mitte des Dreiecks ging ihm bis an die Knie, und er sah auf seine den Blicken verborgene Füße hinab und versuchte so zu tun, als seien die andern gar nicht da. Ralph mußte an einen anderen kleinen Jungen denken, der genauso dagestanden hatte, und er schreckte vor der Erinnerung zurück. er hatte den Gedanken an ihn unterdrückt, beiseite geschoben, und es bedurfte dieser augenfälligen Gleichartigkeit der Umstände, um ihn wieder heraufzubeschwören. Man hatte die Kleinen nicht mehr gezählt, einmal weil man nie mit Sicherheit wissen konnte, ob alle mitgezählt waren, und zum anderen, weil Ralph die Antwort auf zumindest eine der Fragen wußte, die Piggy auf dem Berggipfel gestellt hatte. Blonde waren dabei, braune, sommersprossige, und alle schmutzig, aber was größeren Makel anging, waren ihre Gesichter alle schrecklich rein: keiner hatte mehr das maulbeerfarbene Muttermal gesehen. Aber damals hatte Piggy herumgeredet und gewettert. In stillschweigendem Eingeständnis der Erinnerung an das Unaussprechliche nickte Ralph Piggy zu.
    »Mach weiter. Frag ihn.«
    Piggy kniete nieder, die Muschel in der Hand.
    »Also, wie heißt du?«
    Der Kleine zog sich noch tiefer in sein Gehäuse zurück. Piggy sah Ralph hilflos an, der mit scharfer Stimme fragte:
    »Wie heißt du?«
    Die Stille und die Weigerung des Kleinen waren zuviel für die Versammlung. Sie riefen im Chor: »Wie heißt du? Wie heißt du?«
    »Ruhe!« Das Kind stand da, im Zwielicht, und Ralph starrte es an.
    »Jetzt sag uns mal, wie du heißt.«
    »Percival Wemys Madison, Pfarrhaus, Harcourt St. Anthony, Hants, Telefon, Telefon, Tele –«
    Als wurzele diese Mitteilung tief unten in den Brunnen des Leids, begann der Kleine zu weinen. er verzog sein Gesicht, Tränen kamen aus den Augen, sein Mund ging auf, bis man nur noch ein großes schwarzes Loch sah. Zuerst war er stumm, ein Standbild des Kummers, aber dann brach der Jammer aus ihm heraus, laut und anhaltend wie die Muschel.
    »Hör auf! Hör bloß auf!«
    Percival Wemys Madison hörte aber nicht auf. ein Brunnen war angebohrt, und weder mit Machtworten noch gar mit Gewalt war er zu schließen. Das Weinen ging fort, in regelmäßigen Intervallen, und schien ihn aufrecht zu halten, als sei er daran festgenagelt.
    »Seid still! Hört doch auf!«
    Denn jetzt waren die Kleinen nicht mehr zu halten. Sie wurden an ihre

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