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Herr Der Fliegen

Herr Der Fliegen

Titel: Herr Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Golding
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rot!«
    Wieder zuckte die weiß-blaue Narbe über sie hinweg und die schweflige Entladung schlug hernieder. Die Kleinen schrien und stürzten durcheinander, flohen vom Waldrand weg, und einer durchbrach in seiner Todesangst den Ring der Großen.
    »Auf ihn! Auf ihn!«
    Aus dem Kreis wurde ein Hufeisen. Da kam vom Wald her etwas gekrochen. es kam dunkel, unsicher näher. Sie schrien schrill vor dem Tier auf wie im Schmerz. Das Tier taumelte in das Hufeisen hinein.
    »Stecht das Tier! Macht es tot! Blut fließt rot!«
    Die blau-weiße Narbe war jetzt ständig am Himmel und das Krachen unerträglich. Simon schrie etwas von einem Toten auf einem Berg.
    »Stecht das Tier! Macht es tot! Blut fließt rot! Macht es kalt!«
    Die Stöcke fielen herab und der neue Kreis war wie ein großes Maul, das schrie und mit den Zähnen knirschte. Das Tier lag in der Mitte auf den Knien und hatte die Arme vor das Gesicht geschlagen. es schrie gegen den Höllenlärm etwas von einem Leichnam auf einem Berg. Das Tier kämpfte sich vorwärts, durchbrach den Ring und fiel über die steile Felsstufe, auf den Sand am Wasser. Sogleich wogte die Menge ihm nach, ergoß sich über den Fels, sprang das Tier an, schrie, schlug, biß, zerrte. es fielen keine Worte, alle Bewegungen flossen zusammen zu einem einzigen reißen von Zähnen und Klauen.
    Da öffneten sich die Wolken und ließen einen Wasserfall hinabstürzen. Die Regenmassen wogten vom Berggipfel heran, rissen Blätter und Zweige von den Bäumen, rauschten wie kalter Guß über den zappelnden Knäuel auf dem Sand. Jetzt brach der Knäuel auseinander und einzelne Gestalten schwankten davon. Nur das Tier lag reglos da, wenige Schritte vor dem Meer. Selbst durch den regen konnten sie sehen, ein wie kleines Tier es war; und schon färbte sein Blut den Sand.
    Jetzt trieb ein starker Wind den regen ab und spülte das Wasser in Kaskaden von den Bäumen des Waldes. Auf dem Gipfel füllte sich der Fallschirm und stieg; die Gestalt glitt hoch, stand aufrecht, wirbelte herum, schwebte durch die Unermeßlichkeit der nassen Luft in die Tiefe und stieß sich mit plumpen Füßen von den Wipfeln der hohen Bäume ab; sie fiel und fiel und sank dem Strand entgegen und die Jungen rannten schreiend in die Finsternis. Und weiter trug der Fallschirm die Gestalt, und die Gestalt durchschnitt in gerader rinne die Lagune und holperte über das Riff aufs Meer hinaus.
    Gegen Mitternacht versiegte der regen, und die Wolken schwammen davon, so daß der Himmel wieder mit den wunderbaren Sternlichtern übersät war. Dann erstarb auch die Brise, und man hörte nur noch das Tropfen und rieseln des Wassers, das aus Spalten rann und von Blatt zu Blatt auf die braune erde der Insel niedersickerte. Die Luft war kühl, feucht und klar; und jetzt verstummte sogar das rieseln des Wassers. Das Tier lag zusammengekauert auf dem fahlen Strand und die Flecken wurden größer und größer.
    Das Ufer der Lagune ward zu einem Leuchtstreifen, der sich langsam aber stetig vorschob im Rhythmus der andringenden Flutwelle. Das klare Wasser spiegelte den klaren Himmel und das strahlende Gewinkel der Sternbilder. Der Leuchtstreifen bauschte sich über die Sandkörner und kleinen Kiesel; er umkräuselte jeden einzelnen lauernd eine Weile, riß ihn dann plötzlich mit unhörbarem Laut an sich und rollte weiter.
    Entlang dem landwärtigen Rand der Untiefen war die vorrückende Helle voller seltsamer, mondstrahlgestaltiger Wesen mit feurigen Augen. Hier und da klammerte sich ein größerer Kiesel an seine Lufthülle und wurde von einem Perlmantel bedeckt. Die Flut schwoll heran über den regenzerfurchten Sand und glättete alles mit silbernem Tuch. Jetzt beleckte sie den vordersten Fleck, der dem zerbrochenen Leib entsickerte, und die Wesen bildeten einen unruhigen Lichtsee, als sie sich am Rand versammelten. Das Wasser stieg weiter und übergoß Simons wirres Haar mit hellem Glanz. Seine Wangenlinie strahlte silbern, und die Wölbung seiner Schultern wurde zu gehauenem Marmor. Die seltsamen dienstbaren Wesen mit ihren feurigen Augen und dem nachschleifenden Schaumschweif umspielten geschäftig seinen Kopf. Der Körper hob sich kaum merklich und eine Luftblase entstieg dem Mund mit nassem Blubb. Dann zog es ihn sanft ins Wasser.
    Irgendwo über der verfinsterten Hälfte der Welt wirkte die unermeßliche Kraft der Sonne und des Mondes; und so wurde die Wasserhülle auf dem Erdenstern festgehalten und wölbte sich ein wenig auf einer Seite, während

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