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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Bewegung für die Stimme des Volkes weiß. Man hat ihr Fragen zu Nyawĩra gestellt. Wie lange sie Nyawĩra schon kennt, wie sie sich zum ersten Mal begegnet sind? Wann Nyawĩra für Eldares Modern Construction and Real Estate zu arbeiten begonnen hat? Wer ihr die Arbeitstelle angeboten hat? Sie wollten auch wissen, ob es eine persönliche Beziehung zwischen Nyawĩra und mir oder Nyawĩra und dir gebe? Ob ihr euch jemals begegnet seid, in meinem Büro oder woanders? War sie deine Geliebte? Lauter solche Fragen. Vinjinia meint, sie habe ihnen alles gesagt, was sie weiß. Das ist natürlich sehr wenig, weil sie nicht regelmäßig ins Büro kam und erst anfing, dort zu arbeiten, als ich krank wurde … Verstehst du jetzt, was ich dir über Frauen gesagt habe? Musste sie denn unbedingt meine Krankheit erwähnen?“
    „Hör auf zu zittern und hör mir zu. Reiß dich zusammen und benimm dich wie ein Mann. In der Regierung wissen alle, dass du mit Grippe flachgelegen hast. Jeder in Aburĩria hat mal eine Grippe. Das ist nichts, worüber man sich Gedanken machen muss. Und was die Anstellung von Nyawĩra angeht, jeder kann den gleichen Fehler machen. Man kann einen Dieb einstellen, aber daraus folgt noch lange nicht, dass man selber ein Dieb ist. Außerdem zieht ein Dieb nicht durch die Gegend und verkündet lauthals: Ich bin ein Dieb. Die Sünden des Angestellten können dem Arbeitgeber nicht angelastet werden. Hör zu: Nyawĩra ist eine Staatsfeindin, und wenn es irgendetwas gibt, das zu ihrer Verhaftung führen kann, dann sag es mir. Hast du verstanden? Sag es mir zuerst. Während ich in den USA bin, werde ich dich ab und zu anrufen, und du sagst mir, was du herausgefunden hast. Und wenn ich nicht zu erreichen bin und du Informationen über Nyawĩra hast, dann geh damit zur nächsten Polizeiwache, zu deinem Freund – wie ist sein Name? – Wonderful Tumbo. Genau. Das wäre großartig. Und was deine Frau betrifft, warum willst du dich von ihr scheiden lassen, wenn es so aussieht, als hätte sie nichts Unrechtes getan?“
    „Oh, vielen, vielen Dank! Ich bin also nicht in Gefahr? Du bist mir nicht böse? Und der Herrscher ist auch nicht böse auf mich?“
    „Warum sollten der Herrscher oder ich böse auf dich sein?“
    „Danke. Vielen Dank, mein oberster Gönner!“, rief Tajirika, als wären der Minister und der Herrscher ein und dieselbe Person.
    Machokali wollte schon sagen, er solle die Klappe halten, er sei schließlich nur ein Minister des Herrschers, hielt sich aber zurück. Je länger er sich mit Tajirika unterhielt, desto stärker deprimierte es ihn. Diese Seite von Tajirika kannte er nicht. Keinerlei Rückgrat, dachte er und überlegte, ob es überhaupt Sinn hatte, ihm mitzuteilen, was er eigentlich wollte. Ihm zum Beispiel den Vorschlag zu machen, während seiner Abwesenheit sein Wachhund zu sein oder ihn über die bevorstehenden Strukturveränderungen im Marching-to-Heaven-Baukomitee zu informieren. Doch dann entschied er, ihm die Nachricht fairerweise persönlich zu übermitteln, damit Tajirika sie nicht aus der Zeitung erfuhr.
    „Du solltest mir jetzt möglichst aufmerksam zuhören. Auch unter uns Staatsministern tobt ein erbarmungsloser Kampf um Macht und Einfluss. Nicht jeder Minister ist mir freundlich gesinnt. Unsere Geburtstagstorte war nicht nach jedermanns Geschmack. Nicht, weil ihnen die Idee von Marching to Heaven nicht schmeckte, sondern weil sie nicht selbst darauf gekommen sind. Einige, und ich glaube, du weißt, wen ich meine – ich will ihre Namen nicht einmal erwähnen –, ärgern sich dermaßen über dieses Projekt, dass sie alles tun würden, um es zu kippen. Weil das aber nicht gelingt, unternehmen sie alles, um dem Projekt ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden, es ist ihnen nun gelungen. Natürlich wollten sie eigentlich alle meine Verbündeten im Baukomitee abschießen, auch dich. Zum Glück hat der Herrscher in seiner unergründlichen Weisheit diese Forderung abgelehnt. Aber es wird trotzdem einige Veränderungen geben, über die du Bescheid wissen solltest. Du wirst zum Beispiel von jetzt an einen Stellvertreter haben.“
    „Was? Der kriegt meinen Posten?“, fragte Tajirika aufgeschreckt.
    „Nein, nein. Du bleibst Vorsitzender von Marching to Heaven. Dein Stellvertreter soll dir nur zur Seite stehen.“
    Tajirika atmete erleichtert auf, als hätte er schlimmere Neuigkeiten erwartet.
    „Das ist gar keine so schlechte Idee“,

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