Herr der Krähen
richteten sich auf den bevorstehenden Besuch in den USA . Wenn es ihm gelänge, in die Delegation aufgenommen zu werden, würden sich bestimmt Zeit und Gelegenheit ergeben, direkt mit dem Herrscher zu sprechen. Zumindest aber befände er sich näher an der Quelle der Macht, statt hier seine Zeit mit sinnlosen Ausschüssen und nutzlosen Stellvertretern zu verschwenden, ohne irgendetwas zu tun zu haben. Er räusperte sich.
„Mr. Minister, erlaube mir die Frage. Sollte ich als Vorsitzender von Marching to Heaven nicht auch zu dieser Delegation gehören, die in die USA reist? Jetzt, da ich einen Stellvertreter habe, wäre die Position ja nicht unbesetzt, der Stuhl würde also nicht kalt werden. Mein Stellvertreter Kaniũrũ wird ihn bis zu unserer Rückkehr aus Amerika warmhalten.“
„Auf gar keinen Fall. Ich möchte, dass du hierbleibst, als meine Augen und meine Ohren.“ Machokali sprach jetzt schnell und nachdrücklich aus, was er die ganze Zeit über angedeutet hatte, aber er wollte nicht näher darauf eingehen, weil ihm inzwischen Zweifel am Charakter seines Freundes gekommen waren. „Ich muss ins Büro zurück. Der Herrscher kann jeden Augenblick anrufen, und ich habe nicht die geringste Lust, die Schlagzeile lesen zu müssen, dass der Außenminister vermisst wird“, sagte er und versuchte, ihrer Unterredung einen unbeschwerten Abschluss zu verleihen.
Monate später, in einer Folterkammer, beschwor Tajirika beim Namen seiner Ahnen, seiner Kinder, Gottes und allem, was ihm vorübergehend die Nadeln unter den Fingernägeln und das Ausdrücken brennender Zigaretten auf seinem Körper ersparen könnte, seine Unschuld und wiederholte gegenüber den ihn verhörenden Polizisten immer wieder ein und denselben Satz: „Ich schwöre bei Gott, das war meine letzte Unterredung mit Machokali.“
Tajirika brach in Tränen aus und flehte seine Folterer an: „Ich bitte Sie, lassen Sie mich. Wir haben uns im Mars Café voneinander verabschiedet. Ich habe ihn, bevor sie in die USA geflogen sind, weder gesehen noch mit ihm telefoniert. Ehrlich gesagt, ich war verärgert, weil ich nicht zur Delegation gehörte, und deshalb habe ich mich auch nicht darum gekümmert, wann genau sie abgeflogen sind.“
14
Man sagt, die Zeit heilt alle Wunden, aber dem Herrscher schien die Zeit den Schmerz nur noch zu vergrößern. Auch angesichts der bevorstehenden Abreise in die USA quälte ihn noch immer der entsetzliche Gedanke an das, was die Frauen ihm angetan hatten. Er konnte nicht verstehen, warum sie die Sache mit Rachael aufgebracht hatten, und obwohl er es sich nicht eingestand, war es das, was wirklich wehtat. Sie hatten sich in seine privaten Angelegenheiten eingemischt, und das hatte noch nie jemand gewagt. Der Mann ist die absolute Autorität im Haus. Das war die einzige Überzeugung, die Despoten und Demokraten gleichermaßen teilten, Anhänger des Kolonialismus wie des Antikolonialismus, Männer wie Frauen und die Führer aller Glaubensrichtungen. Wie konnten diese Frauen es wagen, in Frage zu stellen, was im Himmel wie auf der Erde so eindeutig war? Der elendeste Bettler in Aburĩria war jetzt sicherer König seines Hauses als er der Herr seines Hauses und seines Landes. Wann und wie waren sie an Rachael herangekommen?, fragte er sich immer wieder. Seine Nerven zuckten bei dem Verdacht, der ihn verfolgte: Hatte einer seiner geliebten Söhne als Mittler zwischen Rachael und den Frauen agiert? Aber wer von den vieren würde sich zu einem so grässlichen Akt kindlichen Ungehorsams und Verrats an der Männlichkeit hergeben? Er rief sich ihre Gesichter vor Augen und dachte über jeden von ihnen nach: Erst das Gesicht von Rueben Kucera, dann das von Samuel Moya, danach das von Dickens Soi und schließlich das von Richard Runyenje. Aber die Gesichter erzeugten nur größere Zweifel.
Sein Verdacht wurde so unerträglich, dass er seine Söhne unter dem Vorwand zusammenrief, sie vor seiner Abreise nach Amerika noch einmal sehen zu wollen. Er eröffnete den Familienrat mit der Anweisung, während seiner Abwesenheit wegen möglicher Intrigen innerhalb der Streitkräfte Augen und Ohren offen zu halten. Sie sollten außerdem auf die zurückbleibenden Minister achten, vor allem auf Sikiokuu. Er riet ihnen, nicht zu viel zu trinken, und zur Warnung konfrontierte er sie mit dem ihm zu Ohren gekommenen Bericht, dass einer von ihnen, der Zwei-Sterne-General, Teile seiner Uniform in einer Bar liegen gelassen habe, weil er einer Nutte
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