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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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waren. Das hätten sie, wie sie versicherten, mit eigenen Augen gesehen. Aber alle Versionen stimmen darin überein, dass es tatsächlich einen mysteriösen, faulig stinkenden Teich gegeben hat.
    „Ich selbst habe den Teich nicht gesehen, aber es muss irgendetwas geschehen sein, sonst wäre Seine Allmächtigkeit nicht so plötzlich geflohen“, berichtete Nyawĩra Kamĩtĩ. „Ich kann nur vermuten, dass das von der Kolonialverwaltung angelegte Kanalisationssystem, das nie richtig gewartet oder instand gesetzt worden ist, verrückt gespielt hat.
    Aber im Augenblick unseres Triumphes drehten sich unsere Gedanken nicht darum, ob ein Teich da war oder nicht und was das bedeutete; wir sonnten uns einfach im Licht der Tatsache, klargemacht zu haben, dass nicht alle Aburĩrier glücklich darüber sind, von einem herzlosen Despoten regiert zu werden oder für Marching to Heaven weitere Schulden anzuhäufen. Man muss nicht einmal genauer hinsehen, um zu erkennen, dass ein Mann, der seine Frau so in ihrem Haus einsperrt, eine Bestie in Menschengestalt ist. Rachaels Schicksal spricht Bände: Wenn man eine Frau, die sich auf dem Höhepunkt der Macht und damit der öffentlichen Wahrnehmung befindet, einfach verschwinden lassen, sie zu Lebzeiten mundtot machen kann, wie steht es dann um die gewöhnliche Arbeiterfrau oder Bäuerin? Die Lage der Frauen in einem Land sind der wahre Gradmesser seines Fortschritts. ,Du sperrst eine Frau ein und hast eine ganze Nation ins Gefängnis gesteckt‘, haben wir während der Zeremonie gesungen.
    Als ich an diesem Abend nach Hause ging, fühlte ich mich, als wären mir Flügel gewachsen. Die Nächte ohne Schlaf, die Tage, die darüber vergingen, waren es wert gewesen. Vertrieben durch die Macht der Frauen, hatten wir gesagt“, erzählte Nyawĩra, und noch immer blitzten ihre Augen vor Stolz bei der Erinnerung an den Mut der Frauen und den verdienten Triumph. „Und in dieser Nacht habe ich immer wieder die Worte vor mich hingesprochen: Die Macht der Frauen hat das erreicht!“
    Der Herrscher schloss sich sieben Tage, sieben Stunden, sieben Minuten und sieben Sekunden im State House ein und war für niemand zu sprechen, bis er die Kabinettssitzung einberief, auf der beschlossen wurde, Zuflucht bei Staatsbesuchen im Westen zu suchen.
    Warteschlangen, die aus mehr als fünf Personen bestanden, wurden mit sofortiger Wirkung verboten. Unabhängig von Zeit und Ort und Anliegen war es künftig illegal, wenn mehr als fünf Menschen in einer Reihe standen, ob sie nun eine Kirche oder Moschee betraten, an einer Bushaltestelle ausharrten oder sich in einem Büro trafen. Wenn zum Beispiel mehr als fünf Personen an einer Bushaltestelle warteten, durften sie mehrere Schlangen zu je fünf Personen bilden, aber keine fortlaufende. Nach Aussage des Herrschers waren Warteschlangen eine marxistische Erfindung und hatten mit afrikanischer Kultur nichts zu tun, die schließlich vom Geist der Spontaneität beseelt sei. Massenchaos – Schieben und Drängen – war nun an der Tagesordnung.
    Das Verbot vermehrte die vielen Geschichten im Land, die über diesen Tag bereits im Umlauf waren, und rief viele Witze über das Fiasko hervor. Der Bauplatz sei mit Pisse geweiht und gesegnet worden, erklärten manche. Andere fügten hinzu, das Regime wäre beinahe im Morast untergegangen, und lachten so laut, dass ihnen das Zwerchfell wehtat, wenn sie darauf hinwiesen, sämtliche nachfolgenden Bemühungen, die Stelle mit Sand und Steinen zu füllen, seien erfolglos geblieben. Sie berichteten, dass die Flüssigkeit anstieg und über Sand und Steinen einen neuen Teich bildete. Die Stadtverwaltung bemühte sich um Schadensbegrenzung. Sie beauftragte ein Unternehmen, rund um den Teich Blumen zu pflanzen. Ein zweites sollte Parfüm in den Teich kippen. Aber was die Firmen auch taten, die Blumen wollten nicht anwachsen, und das Parfüm konnte den Gestank nicht überlagern. Zuletzt sah sich die Stadtverwaltung gezwungen, dieselben Unternehmen zu beauftragen – ihre Eigentümer waren Soi, Runyenje, Moya und Kucera –, Plastikblumen und -bäume aufzustellen und regelmäßig Parfüm in den Teich zu kippen.
    „Wer waren diese Frauen?“, war die häufigste Frage unter den Leuten. Ob sie nun von denen gestellt wurde, die nicht dabei gewesen waren oder denen, die behaupteten, dabei gewesen zu sein, sie war nichts weiter als die rhetorische Einleitung für neue Geschichten. Wer nicht dabei gewesen war, gab wieder, was er von anderen

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