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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Seelenqualen bereitet, dass Ihr Kehlkopf rebellierte und sich weigerte, Ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen. Nachdem Sie von ihrer Wortkrankheit genesen waren, gaben Sie sich alle Mühe, den wahren Grund zu verbergen, indem Sie behaupteten, Sie hätten lediglich den Wunsch geäußert, weiß zu sein. Weiß-Wahn. Wir aber wissen, wofür das Wort ,weiß‘ steht. Außerdem war es gar nicht Ihr eigener Wunsch. Sie haben lediglich ausgespuckt, was andere, die cleverer und gerissener sind als Sie, längst gedacht und ausgesprochen hatten. Sie haben vor allem Ihren besonderen Freund zu schützen versucht. Sogar als Sie sich von der Krankheit vollständig erholt hatten, forderte Machokali von Ihnen, so zu tun, als wären Sie immer noch krank, womit er diese Gedanken in Ihrem Kopf am Leben hielt, Sie würden weiterhin sein Stellvertreter sein.“
    „Sie haben vergessen hinzuzufügen, dass er nicht wollte, dass das Schlangestehen aufhört, weil dem Herrscher die Warteschlangen sehr am Herzen lagen.“
    „Was für einen Freund Sie in diesem Mann haben! Er hat also behauptet, es wäre der Herrscher gewesen, der die Schlangen brauchte? Dass er es war, der diese Manie ausgelöst hat?“
    „Nicht mit diesen Worten“, versuchte Tajirika richtigzustellen.
    „Sie scheinen geradezu versessen darauf, die Taten Ihres Freundes zu verteidigen.“
    „Oh, nein, nein.“
    „Dann sollten Sie den Namen des Herrschers aus dieser Sache heraushalten. Machokali hat Ihnen also gesagt, Sie sollten weiterhin so tun, als wären Sie krank, damit die Schlangen bestehen bleiben. War es so?“
    „Sie sagen es.“
    „Wie bitte? Was Sie also sagen wollen, ist, dass er mit seiner Bitte, das Verwirrspiel weiterzubetreiben, zwei Ziele verfolgte: die Warteschlangen zu vervielfachen, damit die Leute, wenn sie genug davon hätten, rebellierten, und seine Ambitionen auf das höchste Amt im Land durch Ihre, seines Surrogaten Gedanken voranzutreiben. Also: Fassen wir die Zusammenfassung Ihres Geständnisses noch einmal zusammen. Sie haben mir gesagt, Sie und Machokali hätten vor dessen Abreise nach Amerika im Mars Café ein Geheimtreffen gehabt. Bei dieser Gelegenheit haben Sie ihn gebeten, Sie in die Delegation aufzunehmen, weil Sie immerhin der Vorsitzende von Marching to Heaven waren, doch Machokali weigerte sich, das überhaupt in Erwägung zu ziehen. Die Vehemenz, mit der er sich weigerte, überraschte Sie zunächst. Bald aber wurde Ihnen klar, warum. Denn ein paar Minuten später bat er Sie, während seiner Abwesenheit für ihn in Aburĩria seine Augen und Ohren zu sein. Kurz gesagt, er wollte Sie damit zur Keimzelle eines ihm treu ergebenen Geheimdienstes machen. Sie aber, als guter und loyaler Staatsbürger, haben weder Ja noch Nein dazu gesagt, weil Sie nicht wollten, dass Ihnen ein derartiger Gedanke die Seele vergiftete. Ihnen war nur zu klar, dass einzig der Herrscher das Recht hatte, einen Geheimdienst zu gründen. Jetzt begriffen Sie auch, warum er Sie zum Vorsitzenden von Marching to Heaven ernannt hatte. Sie sollten sein Stellvertreter oder Repräsentant in diesem Projekt werden, weil er sich mehr oder weniger sicher war, später selbst die Führung zu übernehmen. Im Laufe der Zeit nun beschäftigte diese Angelegenheit Sie so sehr, dass Sie mich wegen meines Ansehens als loyales und verantwortungsbewusstes Mitglied der Regierung des Herrschers um eine Unterredung baten.“
    Langsam begann Tajirika, Machokali mit Sikiokuus Augen zu sehen. Besonders einleuchtend erschien ihm, dass Marching to Heaven letztlich unter die Leitung Machokalis gestellt werden sollte. War das auch der Grund, warum Machokali erst die Idee für das Geburtstagsgeschenk aufgebracht hatte und später so tat, als wären es die Mitglieder des Geburtstagskomitees gewesen, die auf diese Idee gekommen waren? Was für ein Freund, dachte Tajirika erstaunt, als würde er zum ersten Mal den wahren Machokali erkennen. Machokali hatte ihn sogar dazu gebracht zu glauben, Sikiokuu wäre ein Feind. Im Augenblick seiner größten Not hatte sich der, in dem er einen Freund gesehen hatte, nicht einmal die Mühe gemacht, aus Amerika anzurufen, und der, den er für einen Feind gehalten hatte, war ihm zu Hilfe gekommen. Sikiokuu hatte ihm nicht nur den Herrn der Krähen vom Leib gehalten, sondern zudem einen cleveren Weg gefunden, ihn wegen seiner Weigerung, der Vorladung vor den Untersuchungsausschuss zu folgen, aus dem Schussfeld zu nehmen. Und jetzt, und das war noch wichtiger, dachte

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