Herr der Krähen
sich Sikiokuu entspannt auf seinen Stuhl und schaute zum fassungslosen Herrn der Krähen hinüber. Sikiokuu redete jetzt, als würde er einem Vertrauten die belanglosesten Dinge erzählen.
„Nun, da das erledigt ist und es den Spiegel nicht mehr gibt, wollen wir uns mit Ihnen beschäftigen, Mr. Herr der Krähen. Ich habe nun selbst erlebt, dass Ihr Ruhm nicht auf bloßen Gerüchten beruht. Sie besitzen tatsächlich Macht, wahrscheinlich sogar größere Macht, als Ihnen bewusst ist, und die sollte zum Wohle unserer Nation genutzt werden. Stellen Sie sich Ihre Macht im Dienste des Staates vor. Der Polizei würde es gelingen, Verbrecher in ihren Verstecken ausfindig zu machen, und den Verteidigungsstreitkräften würden die Stellungen des Feindes angezeigt, einfach durch einen Blick in einen Spiegel! Sie und ich, wir müssen zusammenarbeiten und dafür sorgen, die Verbrecherin Nyawĩra aufzuspüren. Verstehen Sie, vorher werde ich Sie nicht gehen lassen. Nyawĩra muss sich in unseren Händen befinden, bevor der Herrscher zurückkehrt.“
Der Herr der Krähen spürte seine Zuversicht schwinden, war aber bemüht, sich die aufkommende Panik nicht anmerken zu lassen. Er würde weder dem Minister widersprechen, noch um seine Freiheit betteln. Er sah seine missliche Lage sogar in einem positiven Licht. Je länger er im Gefängnis saß, desto wahrscheinlicher würde sich Sikiokuu vom Schrein fernhalten. Sikiokuu mochte tausend Spiegel zerschlagen, doch egal welchen er ihm brachte, der Spiegel würde eine Geschichte erzählen, die stets in dieselbe Wahrheit mündete: Nyawĩra inmitten des Volkes. Es war ihr Recht, unter denen Schutz zu finden, über denen Sikiokuus Schatten lag.
Sikiokuus Schatten? Plötzlich kam ihm eine Idee.
„Wir ernten, was wir säen“, sagte der Herr der Krähen. „Sie haben den Spiegel zerbrochen, um Ihr Bild von sich zu tilgen. Also besorgen Sie mir einen Spiegel, der noch nicht von ihrem Schatten belastet ist.“
21
Was sollen wir jetzt tun?, fragten sich Kahiga und Njoya, nachdem sie den Herrn der Krähen weggeschlossen hatten. Sie waren verärgert. Sie hatten ihr Versprechen der vergangenen Nacht, ihn zu der Hexe zurückzubringen, gebrochen. Wie sollten sie ihr die neue Wendung der Ereignisse erklären? Die Hexerei einer Frau war, wie sie glaubten, noch mächtiger und tödlicher als die eines Mannes.
Sie beschlossen, den Herrn der Krähen mit ihr telefonieren zu lassen. Das könnte sie beschwichtigen. Es würde ihr zeigen, dass Njoya und Kahiga mit Sikiokuu nicht einer Meinung waren. Und indem sie die Unterhaltung heimlich belauschten, konnten sie vielleicht entschlüsseln, was die Frau mit ihnen vorhatte.
Also drückten sie dem Herrn der Krähen am nächsten Morgen ein Mobiltelefon in die Hand. Sie würden ihm einen Gefallen tun, indem sie ihm erlaubten, seiner Partnerin die Lage zu erklären und boten sogar an, das Zimmer zu verlassen, um ihnen etwas Privatsphäre zu gewähren.
Von ihrer Höflichkeit wenig beeindruckt, witterte der Zauberer eine Falle, dachte sich aber, jeder Kontakt zu Nyawĩra sei besser als keiner. Zumindest würde sie erfahren, dass er noch lebe.
„Die, die mich abgeholt haben, sind dieselben, die mir auf ihre eigene Verantwortung diesen Anruf ermöglichen, und sie sind so taktvoll, mich allein mit dir sprechen zu lassen, damit ich dir sagen kann, dass es mir gut geht“, begann der Herr der Krähen. Nyawĩra und er waren geübt, sich vorsichtig auszudrücken, und ihre Antwort zeigte ihm, dass sie den Kern dessen, was er ihr sagen wollte, erfasst hatte.
„Ich freue mich, wenn du der Regierung hilfst, aber ich bin alles andere als froh, dass sie dich noch eine weitere Nacht dabehalten. Die dich hier weggeholt haben, müssen dich wieder herbringen. Und wenn dir bei deiner Rückkehr auch nur ein einziges Haar fehlt, wird sie mein Fluch mit voller Wucht treffen. Mein Zorn ist glühender als der heißeste Platz in der Hölle. Aburĩria wird unter Problemen erzittern, wie sie noch keiner erlebt hat. Sie sollten immer an die Bruchstücke der Kalebasse denken.“
Kurz darauf tauchten Reinigungskräfte in der Zelle auf. Zunächst achtete der Zauberer nicht weiter auf sie, doch bald konnte er ihr sonderbares Tun nicht mehr übersehen: Peinlich genau untersuchten sie den Fußboden, hoben selbst das kleinste Stäubchen auf und verfrachteten es in eine winzige Plastiktüte.
„Was soll das werden?“, fragte er.
„Wer sind Sie? Man hat uns befohlen, alle Härchen, die
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