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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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die Zeit gefunden, sich mit ihnen zu treffen? Wann am Tag, wann in der Nacht?
    Tajirikas Fragen und Zweifel steigerten sein unzähmbares Verlangen, einen Prügelhagel auf Vinjinias Rücken herunterregnen zu lassen, und lediglich Sikiokuus einstweiliger Bann hielt ihn davon ab. Durch die fehlende Möglichkeit, seinen Blutdurst zu stillen, wurde Tajirika immer gereizter und brütete mürrisch und schweigend vor sich hin. Er wollte nicht über seine Erlebnisse im Gefängnis sprechen, weil er fürchtete, dadurch den Zorn auf seine Frau weiter anzufachen, was zu unerlaubten Folgen führen konnte. Er suchte Zuflucht im Stummsein.
    Sein brutales, unnachgiebiges Schweigen verletzte Vinjinia, weil es ihr die Möglichkeit raubte, mit ihm ihre Probleme und Sorgen sowie ihren Teilerfolg über das Zwillingsübel Kaniũrũ und Sikiokuu zu teilen. Sie hatte das Bedürfnis, ihm zu erzählen, wie sie überall nach ihm gesucht hatte – auf Polizeiwachen, in Krankenhäusern und Leichenhallen –, und wie ihr schließlich der Herr der Krähen und einige geheimnisvolle Tänzerinnen geholfen hatten, denen sie weder vorher noch später je wieder begegnet war. Der vollkommene Zusammenbruch jeglicher Kommunikation beschäftigte sie weit mehr als die Wut, die sie verspürte, seit sie seine Bereitschaft entdeckt hatte, sich von ihr loszusagen, als sie nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis auf seine halb fertige Pressemitteilung gestoßen war.
    Als Vinjinia einen Anruf von der Polizei erhielt, dass Tajirika entlassen worden sei, freute sie sich. Nicht, weil ihr Zorn verflogen war, sondern weil sie in seine Heimkehr die Hoffnung setzte, ihrer beider Leben wieder in Ordnung zu bringen. Sie hatte erwartet, er würde mit ihrem Erfolg im Unternehmen zufrieden sein, eben weil sie keinerlei Erfahrung damit hatte, und geglaubt, zumindest das Geld würde für sich sprechen. Doch nicht einmal ein beträchtliches Bankguthaben schaffte es, das Herz dieses Mannes zu erweichen. Sie tat alles, um ihn zufriedenzustellen, doch gelang es ihr nicht, seine Seele zu entlasten. Warum? Warum dieses Schweigen?
    Eines Morgens bereitete sie ihm ein besonderes Frühstück aus Pfannkuchen, Eiern und Würstchen. Ohne sie anzusehen, streckte Tajirika die Hände nach dem Tablett aus, griff aber daneben und das Tablett fiel auf den Boden. Das Frühstück war jetzt ein unansehnlicher Brei und Vinjinia konnte sich nicht länger zurückhalten.
    „Was habe ich dir getan, Titus? Was habe ich dir getan, dass du vor Wut fast platzt? Und wenn du den Mund mal aufmachst, dann fragst du ohne Sinn und Verstand. Was haben sie dir im Gefängnis angetan? Wie haben sie es geschafft, eine so dumpfe Kreatur aus dir zu machen?“
    Wenn Tajirika jetzt auch nur ein einziges Wort herausgebracht hätte, er wäre gnadenlos über Vinjinia hergefallen. Aber er dachte an sein Abkommen mit Sikiokuu und bot alle Willenskraft auf, sie nicht zu schlagen. Er lief in die Garage, stieg ins Auto und fuhr ins Büro. Er kochte vor Wut. So unverschämt hatte Vinjinia noch nie mit ihm geredet. In ihrem Zornesausbruch zeigte sich nun zu guter Letzt doch ihr wahres Ich. Das war die Vinjinia, die sich heimlich mit den Tänzerinnen getroffen hat. Oh ja, endlich! Er hatte das Gefühl, dass er in Stücke zerspringen würde, wenn er sie nicht heute noch verprügelte. Er musste unbedingt mit Sikiokuu reden. Er griff zum Telefon.
    „Warum rufen Sie mich denn so früh an, Titus?“, fragte Sikiokuu jovial.
    „Ich will die Erlaubnis. Sofort.“
    „Erlaubnis? Wofür?“
    „Ich bin nicht in der Stimmung für Spielchen!“
    „Wovon reden Sie?“
    „Ich muss meine Frau verprügeln, sonst ersticke ich an meiner Wut.“
    „Wieso? Haben Sie herausbekommen, dass ein anderer Mann sie bestiegen hat?“
    „Nein. Darum geht es nicht. Bitte erlauben Sie es.“
    „Titus! Wovon reden Sie?“
    „Sie haben gesagt, ich dürfe meine Frau nicht verprügeln, ohne mich vorher mit Ihnen abgesprochen zu haben.“
    „O, ja, natürlich“, meinte Sikiokuu unbestimmt. Dann fielen ihm die berüchtigten Fotos und ihre Bedeutung für das Geständnis ein. „Haben Sie sich wegen der Fotos mit ihr gezankt?“, fragte Sikiokuu jetzt aufgeschreckt.
    „Nein, aber …“
    „Dann vergessen Sie es, Titus. Lassen Sie sie in Ruhe. Oder besser: Vögeln Sie sie durch, anstatt Angelegenheiten der Staatssicherheit durcheinanderzubringen. Sie sollen ihre Verbindung zu den Staatsfeinden aufdecken; also Geduld, mein Bruder. Stürzen Sie sich nicht in

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