Herr der Krähen
Gedanken an das, was er gerade gesagt hatte und was es für seine Zukunft bedeuten konnte.
Der Herr der Krähen bemerkte das und tat, als wäre er in Trance und hätte nichts mitbekommen. Sikiokuu warf einen verstohlenen Blick auf den Herrn der Krähen, um herauszufinden, ob er seine letzten Worte gehört hatte. Er war unsicher, was er glauben sollte, als er den Zauberer noch immer über den Spiegel gebeugt sah. Er wartete auf ein Wort oder eine Wendung des Kopfes, doch der Zauberer verharrte in Trance, scheinbar vom Spiegel gebannt. Sikiokuu erhob sich und setzte sich auf seinen Stuhl.
„Mr. Herr der Krähen! Mr. Herr der Krähen!“, rief Sikiokuu, als versuchte er, jemanden aus dem Tiefschlaf zu wecken.
Der Herr der Krähen schrak auf.
„Psst, nicht sprechen. Der Schatten der Frau ist wieder da, und ich versuche, ihm zu folgen. Da ist sie. Auf einem Markt. In einer Kirche. In einer Moschee. In einem Tempel. Bleib stehen! Frau, bleib stehen!“, rief er und hielt den Spiegel fest in beiden Händen. „Ah, der Schatten ist verschwunden, schon wieder hat sich Ihrer darübergelegt. Es tut mir leid“, sagte er, wandte den Blick vom Spiegel ab und sah Sikiokuu an. „Was haben Sie gerade gesagt? Ich hatte Sie etwas gefragt und warte noch auf eine Antwort. Oder wollen Sie mir nicht antworten?“
„Sie meinen, Sie haben nicht gehört, was ich gesagt habe?“
„Was?“
„Nein, nein“, sagte Sikiokuu, als würde er mit sich selbst reden. Er konnte nicht glauben, was ihm gerade widerfahren war.
„Warten Sie einen Augenblick“, sprach der Herr der Krähen und starrte Sikiokuu an. „Warum schauen Sie so mürrisch? Ich gratuliere Ihnen, Mr. Minister.“
„Wozu?“
„Haben Sie es so schnell vergessen? Sie sind frei und können nun sagen, was Ihnen auf der Seele liegt. Ihre Wortkrankheit ist geheilt.“
Sikiokuu fühlte eine große Last von sich genommen. Trotzdem sorgte er sich noch. „Was habe ich denn gesagt, als meine Worte wieder zu fließen begannen?“, fragte er den Herrn der Krähen. So würde er erfahren, was der Zauberer gehört hatte, und sollte der die hochverräterischen Äußerungen wiederholen, so war Sikiokuu bereit, sie ihm in den Mund zu legen. Aber der Herr der Krähen erkannte die Falle und tappte nicht hinein.
„Ich war von dem plötzlichen Auftauchen des Bildes dieser Frau abgelenkt. Ich hoffte, sie würde stehen bleiben, damit ich sie mir genauer ansehen und ihre Kontakte und ihren Aufenthaltsort bestimmen könnte. Aber es spielt jetzt keine Rolle mehr, was Sie mir zur Antwort gegeben haben oder nicht. Wichtig ist allein, dass Sie geheilt sind. Was soll ich machen, jetzt wo wir in dieser Sackgasse stecken, mit Ihrem alles blockierenden Schatten?“
„Da muss mehr dahinterstecken, als das Auge sehen kann“, sagte Sikiokuu, als würde er laut nachdenken.
„Wirklich?“
Sikiokuu stand auf und ging wieder gedankenverloren im Büro auf und ab. Wie konnte er gewiss sein, dass dieser Hexenmeister nicht gehört hatte, was er so unvorsichtig ausgesprochen hatte? Wie konnte er sichergehen, dass der Spiegel die Spuren seines Hochverrats nicht festgehalten hatte? Er wollte den Herrn der Krähen direkt fragen, ob er die betreffenden Worte gehört hatte. Aber dann würde er sie wiederholen müssen und hätte das hochverräterische Verbrechen ein zweites Mal begangen. Und wenn der Herr der Krähen die Worte gar nicht gehört hatte? Würde er ihn dann nicht erst einweihen? Es kam ihm eine Idee, und er blieb stehen.
Er schaltete das Licht wieder an, setzte sich und schaute den Herrn der Krähen unvermittelt an.
„Mein lieber Zauberer“, sagte Sikiokuu in gleichmütigem Ton. „Ich weiß, Sie haben Ihr Bestes gegeben. Schließlich haben sie mich geheilt, und dafür danke ich Ihnen …“
Der Herr der Krähen war erleichtert. Bald würde er wieder mit Nyawĩra zusammen sein. Er hatte ihr viel zu erzählen.
„Kann ich bitte den Spiegel haben?“, fragte Sikiokuu.
Bereitwillig reichte der Herr der Krähen den Spiegel zurück. Sikiokuu warf ihn augenblicklich auf den Boden und begann, darauf herumzutrampeln, rhythmisch flatterten seine Ohren. Als er fertig und der Spiegel in winzige Stückchen zertrümmert war, keuchte er wie ein Flusspferd und seine Nase glänzte vor Schweiß wie die eines Hundes. Erleichtert, es selbst dem gerissensten Zauberer unmöglich gemacht zu haben, auf seine hochverräterischen Träumereien zuzugreifen, die der Spiegel möglicherweise eingefangen hatte, setzte
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