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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Kamĩtĩ oft, seinen Geruchssinn zu unterdrücken und die Übelkeit als Einbildung abzutun; auf diese Weise konnte er weiter Arbeit suchen, ohne ständig an die Ausdünstungen denken zu müssen. Auch jetzt, während er an der Säule lehnte, versuchte er seinen überempfindlichen Geruchssinn zu beruhigen, indem er die Namen und Schilder an den Läden las. Die meisten waren in Hindi, Kiswahili und Englisch: NAMASTE. KARIBU. WELCOME. SHAH DRAPERIES, SHA KA HŨRĨ KHANA .
    Der indische Ladenbesitzer kam heraus und schmiss Orangenschalen auf die Straße, und als er wieder hineinging, warf er Kamĩtĩ einen bösen Blick zu, als wollte er ihn warnen, dass er die Polizei rufen würde, wenn er nicht sofort von dieser Säule verschwände. Kamĩtĩs Augen waren unverwandt auf die Schalen gerichtet, als ob sie ihn zu locken schienen. Vielleicht würden sie, wenn er sie nur stark genug presste, noch ein paar Tropfen Süße abgeben. Eine innere Stimme warnte ihn: Was hast du dir heute Morgen bezüglich Dinge-vom-Müll-aufsammeln geschworen? Hast du schon vergessen, welches Schicksal du fast erlitten hättest, als du deinen Schwur gebrochen hast?
    Die Auseinandersetzung in seinem Inneren zwischen der Stimme, die das Aufsammeln von Abfall verteidigte, und der Stimme, die das Anbetteln Fremder rechtfertigte, brach erneut mit unverminderter Härte los. Was von beidem war weniger verachtenswert? Die zweite Stimme gewann schließlich die Oberhand, weil sie sich mehrfach auf die Heilige Schrift beziehen konnte. Das Gebet ist letztlich auch nur eine Form des Bettelns und bildete den Grundstein aller Religionen. Bitte und dir wird gegeben. Jeden Tag fallen die Anhänger der verschiedenen Religionen, ob im Namen Jesu, Muhammads oder Buddhas, auf die Knie und bitten Gott um dieses oder jenes. Sie beten, dass ihr Herr und Gott sie erhören möge. Ja, Gebete sind heilig. Das Betteln ist heilig. Unter Buddhas Anhängern sind die am heiligsten, die Armut geschworen haben, und das Betteln stärkt sie auf ihrem Pfad der Heiligkeit. Hat nicht Buddha selbst den Verlockungen des Wohlstands zugunsten eines Lebens in Entsagung und Reinheit widerstanden? Im Mittelpunkt von Sangha, der klösterlichen Gemeinschaft, die er nach seinem Nirwana gründete, das den neunundvierzig Tagen des Kampfes gegen die Versucherin Mara folgte, standen die Bhikkhus, die Bettelmönche.
    Almosen, gib mir Almosen. Was Kamĩtĩ kurz zuvor an der städtischen Müllhalde widerfahren war, als man ihn beinahe lebendig im Moder vergraben hatte, war ein klares Zeichen dafür, dass es richtiger war zu betteln. Er erwog, den nächstgelegenen Laden mit ausgestreckten Händen zu betreten, als ihm bewusst wurde, dass der graue Anzug, den er wegen seiner Stellensuche trug, nicht die angemessene Ausstattung für das Betteln um Almosen war. Ihm war nach Lachen zumute, aber er beherrschte sich, weil ihm klar wurde, dass auch die Bewerbung um einen Job eine Art Bettelei war. Das Betteln hatte, wie alles andere auf dieser Welt, eine bestimmte Zeit, einen Ort und spezielle Kleidung. Die Abendstunde des Bettelns war noch fern, also blieben ein paar Stunden für die Jagd nach einer Arbeitsstelle. Wer weiß, vielleicht wendete sich das Schicksal zu seinen Gunsten und es blieb ihm erspart, sich wie ein buddhistischer Mönch aufführen zu müssen.
    Und dann konnte er seinen Augen nicht trauen. Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, entdeckte er ein Schild: ELDARES MODERN CONSTRUCTION AND REAL ESTATE , und daneben einen Anschlag. Ein Job! Dieses eine Wort blendete alle anderen aus. Auferstanden von den Toten, war er mit einem Mal außer sich vor Hoffnung.

2
    Es war fast fünf, und weil Kamĩtĩ befürchtete, das Büro könnte schließen, bevor er dieses Geschenk des Himmels angenommen hatte, trat er ein, ohne anzuklopfen.
    Die Sekretärin, die ein Buch las, während sie auf den Feierabend wartete, sah ihn nicht hereinkommen, schien seine Gegenwart aber zu spüren und hob den Kopf. Ihre Blicke trafen sich. Kamĩtĩ fühlte etwas, das er in keinem der anderen bisher besuchten Büros empfunden hatte. Der Gestank, der ihn auf den Straßen von Eldares verfolgte, war verschwunden und durch einen intensiveren, einen frischen Geruch ersetzt worden. Er ähnelte dem Duft von Blumen, allerdings gab es in diesem Büro keine Blumen.
    „Was wünschen Sie?“, fragte die Sekretärin freundlich und markierte die Seite im Buch, auf der sie sich gerade befand.
    „Ich würde gern den Chef sprechen. Den

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