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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Folgendes von Ihnen“, erwiderte der Herr der Krähen und ignorierte Machokalis Angebot. „Zwei Dinge. Besorgen Sie mir einen großen Wandspiegel, in den zwei oder drei Leute gleichzeitig sehen können, ohne sich auf die Füße zu treten. Der Spiegel soll an einer Wand des Schlafzimmers oder vor dem Stuhl des Patienten angebracht werden.“
    „Dort gibt es einen Wandspiegel.“
    „Dann bitten Sie Din Furyk zu mir.“

11
    „Wer? Ein Arzt?“, fragte ein überraschter Furyk, als Machokali ihn herbeizitiert hatte. Machokali bestätigte, dass der Mann eine Art Spezialist oder Spiritualist war, und gab erst nach vielen eindringlichen Fragen zu, von einem Hexenmeister zu sprechen.
    „Was? Ein Hexenmeister in New York?“, fragte Furyk erstaunt.
    „Ich schaute Machokali an, um mich zu vergewissern, noch bei Verstand zu sein“, schrieb er in sein Tagebuch, „und sah, wie mich seine großen Augen anflehten, nicht abzulehnen. Statt ihm ein donnerndes Nein an den Kopf zu werfen, wie ich es beabsichtigte, hörte ich mich sagen, er solle sich keine Gedanken machen. Er ist ein Arzt für die Seele und ich für den Körper, wir sollten also ein perfektes Paar abgeben. Ich versuchte einfach, ihn zu beruhigen, obwohl ich langsam neugierig wurde. Ich freute mich auf die Begegnung mit dem Mann, der diesen westlich gebildeten, hochrangigen Minister im Griff zu haben schien. Als ich das Zimmer des Mannes betreten wollte, überlegte ich, wie wir uns verständigen sollten. Mit Handzeichen etwa?
    Ich war überrascht, als ich einem Hexendoktor gegenüberstand, der Englisch sprach, als wäre er in Harvard gewesen! Ich sagte zu ihm: ‚Sie sprechen hervorragend Englisch. Wo haben Sie die Sprache so gut gelernt?‘ Er sagte: ‚An der University of Treetops.‘ Ich hatte nie von dieser Universität gehört oder gesehen, dass sie irgendwo zitiert wurde. Er fragte: ‚Und Sie? Sie sprechen hervorragend Englisch. Wo sind Sie gewesen?‘ Die Frage und sein Ton irritierten mich, er konnte doch sehen, dass ich weiß bin! Was sollte ich seiner Meinung nach sonst sprechen? ‚Harvard natürlich‘, antwortete ich höflich und fragte ihn: ‚In Ihrem Land werden also Zauberei und Hexerei an der Universität gelehrt?‘ Er antwortete: ‚Oh, ja, Kunst und Wissenschaft der Hexerei bilden das Herz des Universitätssystems von Treetops. Wir haben Lehr- und Forschungsinstitute, die auf Magie spezialisiert sind. Sie etwa nicht?‘ ‚Natürlich nicht‘, antwortete ich. ‚Bei uns gibt es Institute für Medizin, Psychiatrie und Pharmakologie.‘
    Ich wechselte rasch das Thema und sagte ihm, wie erfreut ich sei, ihn kennenzulernen, um über die seltsame Krankheit zu disputieren, an der ihr Oberhaupt leide, eine seltsame Bösartigkeit, diese selbst induzierte Expansion. Sehr selten. Ich hätte noch nie davon gehört.
    Ja, das war es, und plötzlich wurde mir klar, dass ich dieser sonderbaren Krankheit einen Namen gegeben hatte. SIE : Selbst Induzierte Expansion.
    Er hörte meiner Erzählung aufmerksam zu, ohne mich zu unterbrechen. Als ich aber sagte, sowie man dem Patienten auf den Bauch drücke, käme nur das Wort ‚Koralle‘, ‚kriechen‘ oder ‚krude‘ aus seinem Mund, hob der sogenannte Herr der Krähen den Kopf.
    Er fragte mich: ‚Sagte er ‚Koralle‘, ‚kriechen‘, ‚krude‘ oder etwa ‚ korwar ‘?‘ Zunächst konnte ich die Klangunterschiede nicht erkennen. Er wiederholte die Wörter, artikulierte jedes einzelne langsam und deutlich, bis ich schließlich die Unterschiede hörte. Ich musste zugeben, dass sein eigenes Wort dem, das der Herrscher von sich gab, am nächsten kam. Also sagte ich: ‚Ja, ja, das ist das Wort.‘ Aber warum sollte der Mann vom Cold War besessen sein, das ist doch etwas aus vergangenen Zeiten?
    Er fragte erneut: ‚Und dieses Wort oder dieses Geräusch kam nur heraus, wenn Sie seinen Bauch abklopften?‘ ‚Ja‘, sagte ich. ‚Sind Sie sicher?‘, fragte er und ich antwortete: ‚Ja.‘ Er schrieb das in sein Notizbuch. ‚Was geschah, wenn die anderen Ärzte dem Herrscher den Bauch abklopften?‘ Ich sagte ihm, dass ich das als Einziger getan hätte, und fragte ihn: ‚Noch weitere Fragen?‘ Zunächst antwortete er nicht; es schien, als hätte er mich gar nicht gehört. Ich wollte schon gehen, als er mich zurückhielt. Er kam näher. Bis zu diesem Augenblick hatte er nichts getan oder gesagt, das vermuten ließ, er sei ein Hexendoktor. So, wie er seine Fragen stellte und die Dinge anging, unterschied

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