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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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er sich nicht sehr von der Herangehensweise jedes beliebigen modernen Arztes. Ich sah keinerlei Anzeichen für Voodoo oder Juju-Utensilien.
    Als er mir jetzt aber mit gedämpfter Stimme erklärte, was er von mir wollte, war ich nicht mehr sicher, ob er Spielchen mit mir trieb oder nicht. Dann musste ich lachen. Er wollte, dass ich an einem Wandspiegel vorübergehe.“

12
    Der Herr der Krähen war dem Herrscher nie persönlich begegnet, und das Bild, das er von ihm hatte – groß gewachsen, massig, aber nicht fett –, beruhte auf Fernsehbildern und Zeitungsfotos. Der Herrscher achtete sorgfältig auf sein Äußeres, gehörte aber nicht zu denen, die sich in Stummelaffenfelle, dashikis oder kragenlose Hemden kleideten. Er trug immer westliche Anzüge, die mit Aufnähern aus Raubkatzenfell verziert waren, was allein ihm zustand. Und natürlich war da der berühmte Leopardenhut, der wie eine Krone geformt war, das Symbol seines hohen Rangs und seiner Macht. Dies war in etwa das Bild, das der Zauberer im Kopf hatte, als er das Krankenzimmer betrat. Er war auf einen Unterschied gefasst, zumal bei einem Kranken, doch niemals auf das, was sich seinen Blicken bot.
    Ein Gestank schlug ihm entgegen, wie er ihn oft in den Straßen von Eldares festgestellt hatte, nur schien er jetzt dem Körper des Herrschers zu entströmen.
    In den Augen des Herrschers wohnte die Angst, und der Herr der Krähen konnte nicht erkennen, ob es die Angst vor der Krankheit war oder vor ihm, einer fremden Person. Zunächst, entschied der Zauberer, mussten die Zweifel des Patienten zerstreut werden, da Vertrauen in den Heiler unabdingbar für den Heilungsprozess war.
    „Hören Sie genau zu“, sprach er zum Herrscher. „Das Wichtigste zuerst: Wenn Sie verstehen, was ich sage, nicken Sie bitte zwei Mal mit dem Kopf.“
    Der Herrscher nickte zwei Mal.
    „Gut. Wenn Sie hören können, werden Sie mit Sicherheit auch sprechen können. Machen Sie sich keine Sorgen. Es geht eine seltsame Krankheit um. Es ist eine Wortkrankheit; die Gedanken bleiben in einem Menschen stecken. Sie haben bestimmt schon Stotterer erlebt, oder? Ihr Stammeln ist das Ergebnis eines plötzlichen Staus von Gedanken, Berechnungen oder Sorgen. Nun frage ich Sie: Wer hat größere Sorgen als ein Staatsoberhaupt? Wer hat einmal gesagt, der Kopf, auf dem die Krone ruht, schläft nicht gut? Ich möchte, dass Sie etwas ganz Einfaches tun. Sehen Sie in den Spiegel an der Wand. Die Menschen, die engen Kontakt mit Ihnen hatten – die Minister, die Sicherheitsleute, die Ärzte –, werden vor dem Spiegel vorbeigehen. Ihre Aufgabe besteht darin, sich nur ihre Spiegelbilder anzusehen. Lassen Sie Ihren Verstand frei umherschweifen und seine eigenen Eindrücke bilden. Aber machen Sie sich keine Mühe, Ihre Gedanken in Worte zu fassen. Jetzt ist wichtig, dass Kopf und Herz denken und fühlen. Lassen Sie Ihren Vorstellungen, Gefühlen und Gedanken freien Lauf. Ich werde dem Pfad Ihrer Gedanken folgen, um herauszufinden, wo Sie blockiert sind; und ich möchte, dass Sie mir helfen. Ich werde Ihren Gedanken und Gefühlen eine Stimme leihen. Ich möchte Ihnen helfen, Ihr inneres Schweigen zu überwinden. Ich bin nur der Katalysator, der Ihre ureigenen Gedanken übermittelt.“
    Der Herrscher nickte zwei Mal.

13
    Als Erster ging Machokali am Spiegel vorbei. Der Herrscher kniff die Augen zusammen und deutliche Falten traten ihm auf die Stirn, als er Machokalis Gang durch den Raum und aus dem Zimmer hinaus verfolgte. Er schüttelte so unmerklich den Kopf, dass der Herr der Krähen die Bewegung kaum wahrgenommen hätte, hätte er sich nicht auf das Spiegelbild des Herrschers konzentriert. In den Stirnfalten des Herrschers und dem Leuchten seiner zusammengekniffenen Augen las der Herr der Krähen fürchterliche Wut.
    Die anderen Minister gingen am Spiegel vorbei, doch keiner löste einen solchen Blick aus, wie ihn der Herrscher dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten hinterhergeschickt hatte. Als die Sicherheitsleute und sein Leibarzt an der Reihe waren, wandte der Herrscher den Blick ab, als wäre es ihm unangenehm, von ihnen in diesem Zustand gesehen zu werden.
    Din Furyk und Clement Clarkwell bildeten den Schluss. Plötzlich machte der Herrscher vergeblich Anstalten aufzustehen, doch gelang es ihm lediglich, ein „Wenn!“ herauszublaffen.
    Als Din Furyk das hörte, vergaß er die Anweisung, schweigend am Spiegel vorbei und wieder hinauszugehen. Er drehte sich zum Herrn der Krähen um und

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