Herr der Krähen
Projekts sah die Global Bank keine wirtschaftlichen Vorteile in Marching to Heaven. Das Argument, das Projekt würde Arbeitsplätze schaffen, wie die aburĩrische Regierung angeführt hatte, sei überholte Keynes’sche Wirtschaftswissenschaft. Und weder der alte noch der Neo-Keynesianismus hätten in der modernen Weltwirtschaft Platz. Die Global Bank könne „auf der Grundlage des gegenwärtigen Antrags“ keinen Kredit vergeben. Wenn Aburĩria die Sache weiterverfolgen wolle, wäre ein besserer Antrag erforderlich. Geld sei nicht das Problem. Doch könne die Global Bank kein Geld in ein Projekt fließen lassen, dessen Grenze buchstäblich der Himmel war. Aburĩria hätte sieben Tage Zeit, mit besseren Argumenten und Fakten vorstellig zu werden, wenn die Global Bank die Finanzierung von Marching to Heaven noch einmal prüfen solle.
Jeder im Raum war sprachlos. Sie wussten nicht, wohin sie blicken sollten – nach unten, nach oben, weg, zur Seite oder was! Sie alle wussten nur, dass sie dem Herrscher nicht ins Gesicht sehen mochten.
Für Machokali war es noch schlimmer, und sogar jetzt, während er dem Herrn der Krähen die Geschichte jenes Tages erzählte, spürte der Minister die Kälte im Raum, nachdem er den Brief verlesen hatte. Seine Lippen bebten. Er war wie gelähmt. Sollte er dem Herrscher den Brief übergeben? Sollte er vielleicht einwenden, dass die Global Bank die Tür zumindest nicht zugeschlagen hatte? Die Stille schien mit jeder Sekunde durchdringender zu werden. Der Herrscher streckte die Hand aus, als wollte er den Brief selbst noch einmal lesen. Machokali übergab ihn und setzte sich schnell.
Der Herrscher erhob sich, um eine Rede zu halten, ohne zu bemerken, wie der Brief in seiner Hand zitterte. Sie saßen wie festgeklebt auf ihren Stühlen und warteten gespannt auf jedes Wort. Doch als der Herrscher den Mund aufmachte, kam kein Wort heraus. Er stand da und mühte sich vergeblich zu sprechen. Was? Dem Herrscher fehlten die Worte? Entsetzen erfasste sie alle. Hier stand der Herrscher mit offenem Mund und versuchte, etwas zu sagen, brachte aber nur heiße Luft und ein pfeifendes Geräusch hervor. Doch der eigentliche Schrecken entfaltete sich erst Sekunden später.
Auf einmal blähten sich Backen und Bauch. Nein, nicht nur die Backen und der Bauch, sondern der ganze Körper. Bestürzt sahen sie einander an. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Der Herrscher gestikulierte, dass er Stift und Papier haben wolle, aber er konnte den Stift nicht richtig halten, weil seine Finger innerhalb von Sekunden immer fetter wurden. Der offizielle Biograph versuchte, ihm seinen dicken Stift zu geben, aber der Herrscher winkte ihn hinaus. Dann gab er das Zeichen, dass die Zusammenkunft beendet sei.
Auch jetzt noch, da Machokali über die Ereignisse jenes Tages berichtete, klopfte ihm das Herz so wild, als entfaltete sich die Szene noch einmal vor seinen Augen.
„Erlauben Sie mir zusammenzufassen, was Sie mir gerade erzählt haben“, sprach der Herr der Krähen. „Die Global Bank lehnt einen Kredit für Marching to Heaven ab. Der Körper des Herrschers beginnt anzuschwellen. Er kann nicht mehr sprechen.“
„So in etwa, obwohl es viel komplexer war, als Sie es jetzt aussehen lassen“, erwiderte Machokali.
„Ich versuche zu verstehen. Ist das Essen des Herrschers auf Gift untersucht worden?“, fragte der Herr der Krähen.
„Wir hatten ähnliche Vermutungen“, antwortete Machokali, „aber es war noch kein Essen bestellt worden. Wir verließen die Tische, und die Champagnerflaschen waren noch verschlossen. Und seither … nun, Sie kennen den Rest.“
„Wie lange dauert das schon an?“
„Wir haben die Tage nicht mehr gezählt. Wochen vielleicht, aber das ist nur eine Vermutung. Ich könnte seinen Biographen fragen, der des Herrschers Taten und Worte aufzeichnet.“
„Das wird nicht nötig sein. Zumindest jetzt nicht. Und Sie sagen, er hat seitdem kein Wort mehr gesprochen?“
„Furyk behauptet, er hätte gehört, wie er versuchte, ‚Koralle‘ oder ‚kriechen‘ oder ‚krude‘ zu sagen. Aber da fragen Sie besser Din Furyk, obwohl ich der Ansicht bin, dass der halluziniert. Aber wenn Sie jetzt nach meinem Bericht der Ansicht sind, dass es nicht nötig sein wird, persönlich mit Din Furyk oder Clement Clarkwell zu sprechen, kann ich das tun. Oder Dr. Wilfred Kaboca zu ihnen schicken, damit er die genauen Worte in Erfahrung bringt und ihre Antworten für Sie aufzeichnet.“
„Ich brauche
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