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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Modern Construction and Real Estate und Vorsitzender von Marching to Heaven, felsenfest hinter ihm stehen werde.
    „Dann rufen wir ihn doch her“, meinte Sikiokuu, und diese Bereitwilligkeit verstörte Machokali, auch wenn er noch immer überzeugt war, sein Freund Tajirika werde ihn nicht im Stich lassen.
    „Ich werde ihn gewiss holen lassen“, sagte der Herrscher. „Aber jetzt ist es schon spät. Meine Männer werden dafür sorgen, dass morgen früh als Erstes Tajirika hierhergebracht wird. Und damit sich keiner von euch beiden mit dem Zeugen in Verbindung setzen kann, werdet ihr die Nacht über hierbleiben. Es macht euch doch nichts aus, euch hier im State House ein Zimmer zu teilen, oder?“

3
    Sikiokuu und Machokali wurden in einen Raum gesperrt, dessen Wände mit den Knochen und Skeletten ehemaliger Feinde des Herrschers geschmückt waren. Nach einer Weile gingen die Lichter aus, und sie waren von Finsternis umgeben. Das Zimmer war kalt und armselig; Entsetzen lähmte sie, weil sie nicht wussten, ob sie bereits zum Sterben verdammt waren und ihre Gebeine dazu bestimmt, Teil der grausigen Ausstattung zu werden. Sie sprachen kein Wort miteinander, jeder hockte in seiner Ecke, den eigenen Gedanken und der Vorstellung ausgeliefert, dass die Seelen der Toten zugegen waren. Machokali war der Erste, der im Dunkeln eine Silhouette ausmachte. Als er die Hand in die Luft stieß, traf er auf etwas und war sich sicher, dass es sich um den Geist eines der Toten handelte. Sikiokuu spürte die Berührung und glaubte ebenfalls an einen Geist. Als auch er die Hand ausstreckte, um sich gegen ein weiteres Betasten zu schützen, stieß er gegen etwas, was seine schlimmsten Befürchtungen bestätigte. Am Morgen waren beide erleichtert, noch am Leben und wohlauf zu sein. Nun beteten Machokali und Sikiokuu, dass man Tajirika gefunden hatte, denn abgesehen von der erhofften Unterstützung durch dessen Aussage wollte keiner eine weitere Nacht in Gesellschaft der Sendboten aus der Unterwelt verbringen.

4
    Früh am Morgen beförderte die Polizei Tajirika von seinem Anwesen in Golden Heights ins State House und schob ihn in einen Raum mit weißen, zugezogenen Vorhängen. Sie sagten ihm nicht, weshalb er einbestellt worden war, und obwohl er in seinem Kopf alle möglichen Phantasien entwickelte, war das Letzte, was er erwartete, nur wenige Minuten nach seiner Ankunft Machokali und Sikiokuu zu treffen. Er wusste nicht, wie er sich verhalten und wen er zuerst begrüßen sollte, und so sagte er einfach nur Guten Morgen, ohne einen von beiden direkt anzusprechen.
    Keiner antwortete, beide vermieden den Blickkontakt. Er begriff schnell, dass es um sein Geständnis ging. Er überlegte, was er sagen würde, wenn man ihn danach fragte, landete mit seinen Gedanken aber in einer Sackgasse, weil er, abgesehen davon, dass er sich nicht mehr an jedes einzelne Wort erinnern konnte, keine Ahnung hatte, welcher der zwei Minister momentan beim Herrscher in der Gunst stand. Um das herauszufinden, beschloss er, bei den ersten Fragen so vage wie möglich zu bleiben.
    Die Vorhänge wurden zur Seite gezogen, und Tajirika sah ein menschliches Ungeheuer vor seinen Augen erscheinen. Tajirika war kurz davor aufzuspringen, doch als er sah, wie gelassen Machokali und Sikiokuu die Erscheinung nahmen, fasste er Mut und blieb sitzen. Der Herrscher muss in Amerika Unmengen Steaks gegessen haben, dachte Tajirika, als er in der Gestalt, die nun über ihn zu Gericht saß, Ähnlichkeiten mit dem Allmächtigen Herrscher entdeckte.
    Auf der Anklagebank waren Sikiokuu und Machokali, die einander direkt gegenübersaßen; kein Beobachter hätte den Unterschied zwischen Ankläger und Angeklagtem ausmachen können, weil ihre Gesichter gleichermaßen ernst waren. Tajirika saß in der Mitte, direkt vor dem Richter. Jeder der drei wartete insgeheim auf Tajirikas Aussage, als wäre er ein Orakel.
    Machokali war sich ziemlich sicher, dass ihn diese Aussage von allen falschen Anschuldigungen befreien würde. Sikiokuu dagegen war ebenso überzeugt, durch Tajirikas Worte die Beschuldigungen untermauern zu können.
    Nur der Herrscher machte sich als Einziger keine Gedanken darüber, ob die Aussage die Anklage stützte oder nicht, denn er hatte anderes und Dringenderes im Sinn.
    Er hatte die beiden Berichte Sikiokuus gelesen. Was dabei seine Aufmerksamkeit bis zu einem an Besessenheit grenzenden Maß erregt hatte, war die Tatsache, dass Tajirika aus dem Plan für Marching to Heaven

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