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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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und die Stunde der Detonationen vergegenwärtigte. Er hatte bei der Freiluftveranstaltung auf dem Gelände von Parlament und Gericht Regie führen wollen, um die Bestrebungen der sogenannten Volksversammlung zu hintertreiben. Er war entschlossen gewesen, den Willenskampf, der sich zwischen ihm und dem Herrn der Krähen abzeichnete, zu gewinnen und hatte trotz der Schmerzen den nahen Sieg gefühlt. So oder so würde sich der Herr der Krähen beugen, und der Herrscher hatte beschlossen, ihn erst auf die Reise ins Jenseits zu schicken, wenn ihm der Zauberer seine okkulten Kräfte übertragen hatte. Dann jedoch hatte er gespürt, wie sich sein Körper weiter aufblähte und die Krämpfe immer stärker wurden. Es war ihm lediglich gelungen, einen einzigen Hubschrauber zum Abwurf der Burĩ-Scheine aufsteigen zu lassen, bevor ihm das Mobiltelefon aus der Hand gefallen war. Ein unerträglicher Schmerz hatte ihn gepackt und er war kurz davor zu explodieren. Bevor er das Bewusstsein verlor, hatte er das Gefühl gehabt, als würde sein ganzes Dasein durch seine Körperöffnungen nach außen brechen. Als er später wieder zu sich kam, fand er sich im Schlamm seines Unflats wieder, der noch immer langsam durch das von der Kraft der Faulgase gesprengte Dach aufstieg.
    Seine einzige Wunde war eine gespaltene Zunge. Abgesehen von der Erschöpfung, fühlte er sich schlank und kräftig, so wie er da lag, überwältigt von seiner Mitwirkung an der universellen Finsternis.
    Achtundzwanzig Stunden blieb er in diesem hypnotischen Zustand, dann tauchten seine Generäle aus ihren Verstecken auf und behaupteten, sie wären damit beschäftigt gewesen, den Urheber des Bombenanschlags ausfindig zu machen. Er wusste, dass sie logen, aber das spielte keine Rolle. Ihre Erklärungen wurden später zur Geschichte über das Heldentum des Herrschers und seiner Generäle beim Kampf gegen die Bomben der Terroristen zusammengefasst.
    Ihr Verhalten aber vergaß er nicht, und als er sich später mit Tajirika traf, seinem vertrauten Ratgeber, erinnerte er ihn an den Rat, den dieser ihm einmal zu geben versucht hatte: ein Super-Auge auf das Militär anzusetzen.
    „Was hast du damit gemeint?“, fragte er jetzt.
    „Wir brauchen ein Auge, das ein Auge auf alle anderen Augen hat“, sagte Tajirika, als hätte er die Sache gut durchdacht. „Und auf die Oberbefehlshaber der Streitkräfte“, fügte er hinzu. „Jemanden, der freundschaftliche Kontakte zum Militär unterhält und zugleich ihre Kontakte, ihr Verhalten und ihre Bewegungen überwacht.“
    „Hast du jemand besonderen im Sinn?“
    Tajirika hatte sich immer einen Verbündeten im engeren Machtzirkel gewünscht und schlug seinen Freund Wonderful Tumbo vor.
    „Der Officer, der den ausgebildet hat, der mit den Dschinns gerungen hat?“
    „Ja, A.G. , der später leider der Zauberei erlag und seine Stelle verloren hat“, bestätigte Tajirika. „Aber Wonderful Tumbo hat Wunderdinge an ihm bewirkt.“
    Das führte zu Tumbos sofortiger Beförderung vom Leiter einer Polizeiwache zum Allgemeinen Verbindungsoffizier des Herrschers.
    Sie sprachen über das Verschwinden Nyawĩras und des Herrn der Krähen. Tajirika schaute auf seine Daumen und plötzlich wurde ihm bewusst, dass der Zauberer, der sein Leben beeinflusst hatte, seit er zum ersten Mal in sein Büro der Eldares Modern Construction and Real Estate gekommen war und vorgegeben hatte, einen Job zu suchen, nie mehr sein Leben überschatten würde. Seine Macht, ihm jemals wieder Leid zuzufügen, und wäre es auch nur ein einfaches Leid wie die Aufhebung des schützenden Zaubers, mit dem er ihn einmal belegt hatte, war für immer dahin.
    „Sie haben den Herrn der Krähen besiegt. Sie haben über Ihre Feinde triumphiert“, gratulierte Tajirika dem Herrscher, und Tränen der Dankbarkeit drohten zu fließen.
    Sieben Tage und sieben Nächte dachte der Herrscher über die Worte Tajirikas nach, weil sie unbestimmte Gedanken wachriefen, und dann dämmerte ihm, warum alles so glatt gegangen war.
    Am Tag der Selbstexplosion hatte er nicht nur die körperliche Hülle des Herrn der Krähen besiegt, sondern sich auch dessen okkulte Kräfte einverleibt. Da der Zauberer und die Hinkende Hexe aus dem Weg waren, war er selbst nun der oberste Hexenmeister und in der Lage, Aburĩria, den Westen, das Global Ministry of Finance, die Global Bank, die Demokratie, die Lebenden und die Toten – die ganze Gesellschaft – zu manipulieren. Er war jetzt der Zauberer Nummer Eins

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