Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
Vom Netzwerk:
Waise und bei deiner Großmutter aufgewachsen? Und wer sind der Mann und die Frau, die damals in der Zeitung waren und dich gesucht haben, nachdem die Studenten dich in eine Polizeiwache geschleppt hatten? Ich wollte es zuerst nicht glauben, aber später fuhr ich in dein Heimatdorf, um mich zu überzeugen, dass meine Schwiegereltern am Leben und wohlauf sind. Sie sagen Jane zu mir! Sie werden sehr enttäuscht sein, wenn sie erfahren, dass sich ihr geliebter Sohn von einer Frau scheiden lässt, die sich um sie gekümmert hat – oh, ja, ich habe mich um sie gekümmert –, wegen einer Frau, die sich gegen die Regierung gewandt hat.“
    „Lass meine Eltern da raus“, sagte Kaniũrũ wutentbrannt.
    „Nun ja, ich kann verstehen, warum du sie mit Worten getötet hast. Nur erklär mir eines: Warum hast du auch Nyawĩra mit Worten getötet? Damit ihr euch in Sicherheit treffen könnt, ohne Verdacht zu erregen?“
    „Ich sage nicht, dass ich Kontakt zu dieser Terroristin habe“, entgegnete Kaniũrũ hastig. Ihre Andeutungen versetzten ihn in Angst und Schrecken.
    Wie sollte er erklären, dass sich ein Verteidigungsminister heimlich mit Terroristen traf? Wenn man ihm befehlen würde, Nyawĩra herbeizuschaffen, wo um alles in der Welt sollte er sie finden? Und wenn sie tot war? Ihre Leiche aus einem unbekannten Grab holen? Plötzlich war Kaniũrũ den Tränen nahe, weil ihm nichts mehr einfiel, was er hätte tun können. Er, John Kaniũrũ, ein Mann, der alle getäuscht hatte, einschließlich des Herrschers, sollte sich von einer Heiratsschwindlerin reinlegen lassen? Wie sehr er sich auch bemühte, er fand keinen schlüssigen Ausweg, über den er wohlbehalten davonkommen würde.
    „Willow weep for me“, sagte Kaniũrũ, ohne zu wissen, was er da sagte.
    „Louis Armstrong“, meinte Kanyori. „Du magst Jazz? Du magst sogar diese Stimme, die sich wie ein Frosch anhört? Ich mag Blues, aber du willst nicht mit Ruth Brown singen: ‚That Train Don’t Stop Here Anymore‘. Ich möchte, dass dein und mein Herz Bahnstationen sind, auf denen unsere Züge immer und ewig halten.“
    Jesus! Und ich habe diese Frau für dumm gehalten? Er, Kaniũrũ, konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wo, wann und wie er auf diese Zeilen von Armstrong gestoßen war.
    „Pass auf. Warum gehst du nicht nach Hause und wir reden morgen über alles, wenn wir ausgeschlafen haben?“
    „Aber ich bin doch zu Hause. Oder ist dir lieber, wir gehen ins Bett und reden morgen früh weiter, nachdem wir uns eine Nacht entspannt haben?“, fragte sie verschmitzt, während sie sich zu Kaniũrũ beugte und ihm die Nase stupste. „Sing mir die ganze Nacht ‚Dirty Diana‘ ins Ohr, mein stürmischer Krieger!“
    Am nächsten Morgen heirateten Kaniũrũ und Kanyori vor dem District Commissioner – fast eine Wiederholung seiner schlichten Hochzeit mit Nyawĩra.

11
    Als Tajirika von Kaniũrũs kaum Aufsehen erregender Heirat erfuhr, vermutete er, dass mehr dahintersteckte, als auf den ersten Blick erkennbar war. Bescheidenheit war nicht Kaniũrũs Art. Tajirikas Misstrauen wuchs, als er später herausfand, dass Jane Kanyori in einer Bank arbeitete. Unterstanden die Banken nicht seinem Ministerium?
    Er beschloss, Nachforschungen anzustellen.
    Die Ermittlungen erwiesen sich als einfach, vor allem, nachdem Tajirika Kopien der Bankunterlagen in die Hände bekommen hatte und entdeckte, dass alle Transaktionen, an denen Sikiokuu und Kaniũrũ beteiligt waren, immer mit Jane Kanyoris Unterschrift beglaubigt worden waren. Danach war es nur noch eine Sache von gesundem Menschenverstand und einfacher Rechenübungen. Tajirika ging nun, ausgerüstet mit seinem neuen Wissen und den Bankunterlagen, auf direktem Weg zum Herrscher, in der festen Überzeugung, dass dieser, wenn er erst einmal realisiert hatte, dass Kaniũrũ der Einzige war, der mit Marching to Heaven Geld gemacht hatte, ihm sofort das Verteidigungsministerium entziehen würde. Jetzt konnte Kaniũrũ nichts mehr vor dem Zorn des Herrschers bewahren.
    Der Herrscher nahm die Unterlagen, sah sie sehr sorgfältig durch und schüttelte dann den Kopf. Er konnte kaum begreifen, wie dieser Kerl es geschafft hatte, sie alle hinters Licht zu führen. Zu Tajirikas Überraschung fing er an, lauthals zu lachen.
    „Was für ein Gauner!“
    „Stimmt, ein Gauner ersten Ranges“, pflichtete Tajirika rasch bei.
    „Aber was tut so ein Gauner als mein Verteidigungsminister?“
    „Sehr gefährlich, Eure Vortrefflichkeit“,

Weitere Kostenlose Bücher