Herr der Krähen
bitte sie, Vinjinia zu fragen, ob Tajirika sich die Haare hat wachsen lassen oder eine Mütze trägt oder nachts die Haare bedeckt oder sonst etwas Ungewöhnliches anstellt, das er früher nicht getan hat, wie unbedeutend es auch sein mag. Bitte sie, ihr diese Botschaft zu übermitteln. Nachts, wenn Tajirika schläft, soll sie sich sein Gesicht ganz genau ansehen und vor allem seinen Hinterkopf.“
„Was?“, fragte Nyawĩra verwirrt.
„Ich will wissen, ob Tajirika ein zweiter Mund gewachsen ist.“
Nyawĩra konnte nicht mehr an sich halten. Sie lachte, bis sie das Gefühl hatte, ihr würden die Rippen brechen. Aber Kamĩtĩ stimmte nicht in ihr Gelächter ein.
„Das kannst du nicht ernst meinen. Ich hätte dir nicht von der Kreuzigung der Katze erzählen sollen.“
„Es geht nicht nur um Tajirika“, sagte Kamĩtĩ. „Ich vermute das auch bei Kaniũrũ und den anderen Anhängern des Herrschers.“
Sie wollte erneut losplatzen, beherrschte sich aber. Was als geruhsame Rückkehr nach Eldares geplant war, hatte sich zu einem dramatischen Ereignis gewandelt, dachte Nyawĩra. Eine Katze, ein Vogel und jetzt ein Ungeheuer? Vielleicht hatte sie unterschätzt, was Kamĩtĩ durchgemacht hatte? Vielleicht hatten die Schussverletzung und das Koma seinen Verstand beeinträchtigt?
Am nächsten Morgen war sie zeitig auf und ging die Eldares Times kaufen; als sie zurückkam, hatte Kamĩtĩ schon das Essen zubereitet. Sie setzten sich zu einem Frühstück mit Brot, Eiern und Salat. Beim Essen warf sie ständig einen Blick auf die Schlagzeilen.
„Oh, sieh dir das an“, sagte sie zu Kamĩtĩ und schob ihm die Zeitung über den Tisch.
Auf der Titelseite war ein Foto Sikiokuus abgedruckt. Der dazugehörende Text sagte aus, dass der Ex-Minister mit einer Abordnung seiner Loyal Democratic Party vor dem Herrscher erschienen war, um Treue zu geloben und zu bestätigen, dass seine Partei zur Zusammenarbeit mit der Ruling Party bereit sei, um das Wachstum von Baby D zu fördern. Gleichzeitig rief er alle anderen loyalen Parteien auf, seinem Beispiel zu folgen. Auf derselben Seite waren Fotos von Kaniũrũ und Tajirika in ihren neuen Funktionen als Finanz- und Verteidigungsminister abgebildet.
„Hast du dir die Fotos angesehen? Hast du gesehen, wie sie gekleidet sind?“, fragte Kamĩtĩ und schob ihr die Zeitung zurück.
„Ich kann da nichts Sonderbares entdecken“, antwortete sie.
„Sie haben Baseballkappen auf, mit dem Schirm nach hinten.“
„Ja, und?“, fragte Nyawĩra irritiert.
„Fürchte dich nicht vor den Kappen, die sie tragen, sondern vor den Mäulern, die diese Kappen möglicherweise verbergen.“
Nyawĩra hob den Blick von der Zeitung und sah Kamĩtĩ an; die Zweifel an seinem Geisteszustand mehrten sich.
„Curiouser and curiouser“, stichelte sie und lächelte. „In Ordnung, ich werde Maritha und Mariko bitten, Vinjinia zu besuchen.“
2
Einige Zeit später erhielt Nyawĩra einen dringenden Anruf von Maritha und Mariko. Sie trafen sich. Waren sie mit ihrer Mission erfolgreich? Was hatte Vinjinia berichtet? Nyawĩra war immer noch glücklich darüber, wie gut Vinjinia und sie in der Vergangenheit zusammengearbeitet hatten. In größter Not hatte Vinjinia für sie im State House Augen und Ohren offen gehalten. Sie wusste, dass Vinjinia das hauptsächlich aus Dankbarkeit den Frauen gegenüber getan hatte, die sie gerettet hatten, doch zeigten ihre solidarischen Handlungen unabhängig von ihrer Motivation, dass ihr Herz nicht aus Stein war. Ihre Position als Geschäftsführerin der Mwathirika Bank mit den Söhnen des Herrschers im Aufsichtsrat sowie die Stellung ihres Mannes, zunächst als Finanzminister und jetzt als Verteidigungsminister, machten sie für die Bewegung sehr wertvoll. Seit Nyawĩras mutmaßlichem Tod hatten sie keine Verbindung mehr gehabt, und deshalb würde diese Nachricht von Vinjinia ein Gradmesser dafür sein, wie es um ihre Beziehung stand.
„Es sieht nicht gut aus“, sagte Maritha.
„Besitz und Macht können Herzen verändern“, ergänzte Mariko.
„Wie lautet die Nachricht?“, fragte Nyawĩra.
„Wir waren bei ihr in Golden Heights“, erzählte Maritha.
„Weil sie nicht mehr so regelmäßig wie früher in die Kathedrale kommt“, erklärte Mariko.
„Und wir wussten doch, dass dir die Sache wichtig ist“, ergänzte Maritha.
„Vor dem Haus stand Tajirikas Mercedes, das Fähnchen des Ministeriums flatterte im Wind“, sagte Mariko.
„Als Vinjinia sah, dass
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