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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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ich ihn sah …‘ und da stoppte sie plötzlich und Furcht war in ihren Augen.“
    „Vor allem, als sie sah, dass Vinjinia auf uns zukam.“
    „Vinjinia zitterte am ganzen Körper.“
    „Dann nahm Vinjinia Gacirũ, die sich immer noch an mich klammerte, in die Arme, und Gacĩgua versuchte, Mutter und Schwester auf einmal zu umarmen, als sammelte er seine Familie ein.“
    „Und Vinjinia sagte zu ihr: ‚Hab keine Angst, ist ja gut, ist ja gut, ich bin immer noch deine Mama und hab dich lieb …‘“
    „‚Bring mich nicht zu Vater‘, bettelte Gacirũ. ‚Ich habe gesehen, wie er jetzt aussieht. Ich habe mich im Haus versteckt, bis er fort war, und bin dann hinausgerannt …‘“
    „‚Schschsch!‘, machte Vinjinia und versuchte, sie zum Schweigen zu bringen. ‚Wir werden darüber reden …‘“
    „Wir versicherten dem Mädchen, dass wir der Geschichtenerzählerin ihre Bitte überbringen würden.“
    „Und dass wir ein Auge auf sie haben würden.“
    „Und dass sie am Sonntag in die Kirche kommen solle.“
    „Gott lebt. Gott herrscht.“
    „Gott werde Tag und Nacht auf sie aufpassen.“
    „Wir verließen sie dort, während sie sich immer noch umarmten.“
    „Singend gingen wir davon.“
    „Weil unser Lachen die Tränen besiegt hatte.“
    Als wären sie allein im Haus, fingen Maritha und Mariko an zu singen, über die erstaunliche Eigenschaft des Kreuzes, wo Freude dem Kummer folgte. Es hatte den Anschein, als hätten sie Nyawĩra völlig vergessen. Diese stand auf, um zu gehen, weil sie nicht wusste, was sie mit all dem anfangen sollte. Sprachen sie in Gleichnissen?
    „Was denn? Willst du gehen, ohne den Rest gehört zu haben?“, fragte Maritha.
    Nyawĩra setzte sich wieder.
    „Wir hatten das Tor schon längst hinter uns gelassen, als neben uns ein Auto hielt“, begann Maritha.
    „Es war Vinjinia“, ergänzte Mariko.
    „‚Steigt ein. Ich bringe euch lieber zur Bushaltestelle‘, sagte sie.“
    „Nun ja, Gott vollbringt seine Wunder …“
    „Auf geheimnisvolle Weise.“
    „Wir hatten nämlich gerade überlegt, wie wir nach Hause kommen würden“, sagten sie gleichzeitig.
    „Während der Fahrt bedankte sie sich und fügte dann hinzu: ‚Ich will euch um einen Gefallen bitten‘“, erklärte Maritha.
    „‚Was ihr gesehen habt, ist nicht für eine öffentliche Beichte in der Kirche oder sonst wo bestimmt‘“, fuhr Mariko fort.
    „Ich sagte ihr: ‚Wir beichten nur unsere eigenen Sünden, nicht die anderer Leute.‘“
    „‚Freude und Lachen miteinander zu teilen, ist keine Sünde.‘“
    „Sie bedankte sich noch einmal, und dann …“
    „Trug sie uns auf, zu gehen und der, die uns geschickt habe, zu sagen …“
    „Dass sie keine Feindseligkeit im Herzen trage, aber … Und weiter sagte sie nichts oder vielmehr beendete sie nicht, was sie sagen wollte. Sie war den Tränen nahe.“
    „Wie jemand, der sich verlaufen hat und sich dessen bewusst ist, aber nicht weiß, wie er den Weg wiederfinden soll.“
    „An der Bushaltestelle fand sie ihre Stimme wieder.“
    „‚Sagt der, die euch geschickt hat, dass sie keine Botschaften mehr schicken soll. Oh, es gab einmal eine Zeit in meinem Leben, da dachte ich, ich hätte die Sprache der Taube verstanden, wie unbestimmt auch immer, und ich habe sogar gedacht, wie sie in einem Spiegel etwas sehen zu können. Doch heute verstehe ich die Sprache der Taube nicht mehr. Ich erkenne auch mein Gesicht im Spiegel nicht mehr. Ja, sagt ihr, dass wir keine Ungeheuer sind. Es handelt sich um einen Fall von Weiß-Wahn, bei dem die Heilung fehlgeschlagen ist, und der Herr der Krähen ist tot. Liest sie keine Zeitung? Es ist für sie und uns alle besser, wenn sie bei den Toten bleibt.‘“

3
    Es geschah in einem New Yorker Hotel während seines ersten Besuchs als Finanzminister, dass Tajirika eine Ausgabe des Billionaire las, einem Magazin über die reichsten Menschen und Unternehmen der Welt. Fast alle waren weiße Amerikaner und fast alle Unternehmen in Amerika ansässig. Er begann über das Schicksal von Nationen zu grübeln. Amerika, eine ehemalige Kolonie, war noch immer im Aufstieg begriffen, während Großbritannien, die frühere Kolonialmacht, auf das Dritte-Welt-Elend zurollte. Und plötzlich, wie aus dem Nichts, fand er die Antwort auf eine Frage, die ihn seit seinem Weiß-Wahn immer wieder beschäftigt hatte. Der Herr der Krähen hatte ihm als Mittel gegen sein Verlangen verschrieben, ein weißer, kolonialer Engländer zu werden. Dabei

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