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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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sehen konnten.
    „Ja, weil die untergehende Sonne orangefarbene Strahlen dorthin schickte, wo die Tiere in der Luft hingen.“
    „Auf der Wasserfläche des Sees befanden sich noch weitere Tiere, erstarrt im Stillstand.“
    „Eine Henne mit ihren Küken. Und ein Hahn, der hinter einer anderen Henne her war.“
    „In dem Augenblick, da er die Flügel breitet, um die Henne zu …“
    „Wunder gibt es immer wieder. Auch Enten …“
    „Sieh die Katze, die gerade über eine Maus herfallen will …“
    „Und der Hund mit aufgerissenem Maul, der schweigend die Vögel in der Luft ankläfft.“
    „Und die beiden Ziegen und die Kuh mit dem Kälbchen dahinter, und in der Mitte steht Gacirũ, ihre Tochter“, sagte Maritha.
    „Im Lauf erstarrt.“
    „Ein Schatten.“
    „Ein menschlicher Umriss.“
    „Wie Lots Weib.“
    „Nur, dass Gacirũ nicht zu Stein geworden ist.“
    „Oder zu einer Salzsäule.“
    „Wir fanden Vinjinia unten am See.“
    „Und ihren Jungen … Gacĩgua.“
    „Beide weinten um Gacirũ … flehten nach ihr. ‚Cirũ, oh, Cirũ.‘“
    „Aber Cirũ hört nicht, dreht sich nicht um.“
    „Beide haben Angst, den See zu berühren.“
    „Wir sagten …“
    „Lasst uns beten“, sprachen sie im Chor, und Maritha und Mariko knieten in ihrem Haus nieder und begannen, das Gebet zu sprechen, das sie im Tal gesungen hatten.
    In Zeiten des Kummers, o Gott
    Wende dich nicht ab
    Verbirg nicht dein Gesicht
    In Zeiten der Tränen

    Herr unserer Seelen
    Horch auf das Weinen
    Der Eltern und der Kinder
    Der Jungen und der Mädchen
    „In diesem Moment hörte ich, wie etwas in meinem Magen rumorte“, sagte Maritha, die immer noch kniete. „Ein seltsamer Gedanke kam mir und ich fing an zu lachen.“
    „,Warum lachst du in Zeiten der Tränen?‘, fragte ich … doch sie lachte so sehr, dass auch ich anfing zu lachen“, fuhr Mariko fort.
    Und jetzt, da beide sich an ihr Gelächter erinnerten, begannen sie wirklich wieder zu lachen. Sie standen auf und lachten weiter, setzten sich und lachten noch immer und konnten nur mit Mühe die Fassung wiedergewinnen.
    „Ein Blick zum anderen, und wir mussten lachen“, sagte Maritha.
    „Wir lachten unaufhörlich, während wir zum See hinuntergingen, aber in Wahrheit …“, ergänzte Mariko.
    „Nicht aus freiem Willen. Eine seltsame Macht verleitete uns.“
    „Als wir das Ufer erreichten, tauchten wir unsere Füße in den schlammigen Morast“, sagten sie gleichzeitig.
    „Und da standen wir …“
    „Sieh mal die Katze …“
    „Sieh mal den Hund …“
    „Sieh mal der Hahn …“
    „Sieh mal die Kuh …“
    „Und wir lachten, bis mir die Tränen über das Gesicht liefen“, sagte Maritha.
    „Und mir auch … Tränen des Lachens“, fügte Mariko hinzu.
    „Und die ganze Zeit starrten uns Vinjinia und Gacĩgua an, vollkommen verblüfft …“
    „Und wir wunderten uns, warum sie nicht auch lachten …“
    „Und dann sahen wir, dass Vinjinia ohnmächtig wurde …“
    „Und Gacĩgua bückte sich, um sich um sie zu kümmern …“
    „Und unsere Tränen des Lachens flossen weiter …“
    „In den See …“
    „Jetzt waren wir verblüfft“, sprachen sie gleichzeitig.
    „Sobald unsere Tränen der Freude und des Lachens auf das ruhende Wasser trafen …“, fuhr Mariko fort.
    „Begann sich alles zu bewegen, was reglos gestanden hatte“, sagte Maritha.
    „Die Antilopen vollendeten ihre Sprünge auf die andere Seite und verschwanden.“
    „Der Vogel flog davon.“
    „Die Katze und die Maus setzten ihre Verfolgung fort.“
    „Der Hund kläffte lautstark die Vögel an.“
    „Und das Kalb folgte seiner Mutter und muhte, weil es trinken wollte. Und die Ziegen …“
    „Komm, komm, kleine Mutter, hab keine Angst.“
    „Gacirũ drehte sich um.“
    „Und kam auf uns zu“, ergänzte Maritha.
    „Sie lief über das Wasser, ging nicht unter …“
    „Als liefe sie über festen Boden …“
    „‚Lasst mich nicht zurück, bitte, lasst mich hier nicht zurück‘, sagte sie.“
    „Sie klang verwirrt.“
    „‚Bringt mich zu Nyawĩra …‘“
    „‚Weil sie alles über Ungeheuer weiß …‘“
    „Du hast ihr mal Geschichten von Ungeheuern erzählt.“
    „Sie schluchzte.“
    „‚Beruhige dich, du bist außer Gefahr‘, sagte ich.“
    „Sie versuchte, unter Schluchzen zu sprechen …“
    „‚Ich weiß nicht‘, sagte sie, ‚seit Mutter und Vater hohe Posten in der Regierung haben, sind sie Fremde in unserem Haus und für uns Kinder geworden, und als

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