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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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Fish and Chips. Oder auch Chicken and Chips.“
    „Ich würde mich freuen. Ich hoffe ehrlich, dass du eine Stelle bekommst“, sagte Nyawĩra ernst und griff nach ihrer Handtasche.
    An der Tür drehte sie sich um und sah ihn an.
    „Vergiss nicht, dein Zauberbündel abzunehmen. Es sei denn, du willst Reklame machen, dass hier für eine Nacht der mächtige Zauberer abgestiegen ist, dessen Macht alle Vögel, einschließlich der Krähen, vom Himmel zwang!“

13
    Als Nyawĩra auf dem Gelände der Eldares Modern Construction and Real Estate ankam, war ihr Chef Titus Tajirika bereits da. Ihr Büro, das gleichzeitig als Empfang diente, lag neben seinem, und bevor sie ihren Platz einnahm, ging sie hinüber, um sich bei ihm zu melden. Tajirika war in die Eldares Times vertieft, weshalb sie unsicher in der Tür stehen blieb und überlegte, ob sie sich räuspern sollte, um auf sich aufmerksam zu machen. Ihr war klar, dass er wütend war, wenn auch offensichtlich nicht auf sie, sondern auf das, was er las. Tajirika war ihre Gegenwart durchaus bewusst und schon kurz darauf legte er los.
    „Diese Bettler können einem auf die Nerven gehen“, sagte er, und Nyawĩra war froh, dass er sie nicht nach dem Grund ihres Zuspätkommens fragte. „Ich weiß nicht, was man gegen sie unternehmen soll. Wie können sie es wagen, ihre Bettelhände genau an dem Ort auszustrecken, an dem die eigene Regierung …“, er wollte schon sagen „die Hände ausstreckt“, doch das gefiel ihm nicht, und er beendete den Satz mit „… Staatsgäste empfängt?“
    „Ich habe noch keine Zeitung gelesen“, sagte Nyawĩra. „Was ist passiert?“
    „Nun, wir, die Gastgeber und Gäste, waren im Paradise, deshalb haben wir von dem Tumult draußen überhaupt nichts mitbekommen. Und wenn die Zeitungen nicht wären – warum, verdammt noch mal, muss die Zeitung die randalierenden Bettler überhaupt erwähnen und ihnen umsonst diese Öffentlichkeit verschaffen?“ Er hielt die Zeitung in der linken Hand und zeigte mit der rechten – das Gesicht von Abscheu, Verachtung und Unverständnis verzogen – auf den ärgerlichen Artikel.
    Nyawĩra reckte den Hals und las die Titelschlagzeile: BETTLER IM PARADISE . Sie erhaschte auch einen Blick auf ein Bild von flüchtenden Bettlern, denen Schlagstock schwingende Polizisten auf den Fersen waren, wollte aber kein unangebrachtes Interesse zeigen, indem sie näher an den Tisch herantrat. Und da Tajirika redete, wollte sie ihn auch nicht unterbrechen.
    „Genau aus diesem Grund habe ich immer gesagt, die Regierung sollte alle Zeitungen verbieten. Wir kommen auch ohne sie aus. Haben unsere Vorfahren, bevor die Kolonialherren ins Land kamen, nicht bis ins hohe Alter ein erfülltes Leben gehabt, ohne jemals eine Zeitung zu lesen? Sie sind ein Fluch, diese Zeitungen, und wenn man mich fragen würde, was die Ursache für den Aufruhr gestern Abend war, dann würde ich mit einem einzigen Wort antworten: Neid. Diese Bettler sind bestimmt von unseren politischen Gegnern geschickt worden, um den Empfang zu stören. Wissen Sie eigentlich, dass einige Minister neidisch auf meinen Freund Machokali sind, nur weil er so weit sehen kann? Ich will Ihnen sagen, was mit uns Schwarzen nicht stimmt. Anders als den Indern oder Europäern fehlt es uns an Gruppensolidarität! Es passt uns nicht, wenn wir sehen, dass einer von uns Erfolg hat.“
    Nyawĩra bemerkte, dass dies der passende Augenblick war, um ihm ein paar Informationen zu entlocken.
    „Hat nun die Bank zugestimmt, Marching to Heaven zu finanzieren?“, fragte sie.
    Ihre Anteil nehmende Neugier rührte ihn, und er antwortete mit einer Bereitwilligkeit, die sie überraschte.
    „Aber warum stehen Sie denn? Nehmen Sie sich einen Stuhl und setzen Sie sich.“
    Tajirika setzte sich aufrecht, bereit, ihr bis ins Detail alles über den Empfang zu erzählen, vor allem über seine eigene Rolle dabei. Das Interesse an seinem Bericht beruhte auf Gegenseitigkeit, und das Telefon, das genau in diesem Moment klingelte, irritierte beide. Nyawĩra tat so, als wollte sie in ihr Büro gehen, um das Gespräch anzunehmen, aber Tajirika, der keine Sekunde auf sein Publikum verzichten wollte, wies sie an, es an seinem Telefon anzunehmen.
    „Eldares Modern Construction and Real Estate. Kann ich Ihnen weiterhelfen? … Ja … Sagen Sie mir bitte Ihren Namen? … Ihren Namen? … Bitte bleiben Sie einen Augenblick dran … Ich will nachsehen, ob er da ist.“
    Sie bedeckte die Muschel mit der Hand.

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