Herr der Krähen
antwortete A.G. , der glaubte, es habe weitere tödliche Unfälle gegeben.
Als würde er ihm unter vier Augen ein Geheimnis anvertrauen, erzählte ihm sein Chef von den Protesten gegen die Global-Bank-Delegation und den Flugblättern gegen Marching to Heaven, die vor jeder Tür, jedem Büro in Eldares und im ganzen Land verteilt worden waren. Sogar im Parlament und vor dem State House. „Kannst du dir das vorstellen? Vor den Toren des State House, direkt vor den Augen der Polizei und der Soldaten, die den Palast bewachen! Die Frage ist, wie konnten die Pamphletschreiber unentdeckt bis zu diesen schwer bewachten Orten vordringen? Wir haben die am besten ausgebildete Truppe in Afrika, wenn nicht auf der ganzen Welt. Trotzdem gab es nicht einen einzigen Bericht über die Eindringlinge, nicht von einer einzigen unserer vielen Polizeistationen. Wer waren diese Elemente? Dschinns natürlich! Hast du gehört? Dschinns!“
Und dann beugte sich Tumbo aus unerfindlichem Grund nach vorn und sagte: „Congratulations, my son. Never may you forget your friends.“ A.G. war über den Tonfall und das Verhalten seines Vorgesetzten völlig verblüfft. Trieb Inspector Wonderful Tumbo etwa ein Spiel mit ihm? A.G. musste nicht lange auf eine Erklärung warten. Tumbo erinnerte ihn daran, dass er es war, der einen ausführlichen Bericht über jenen Abend geschrieben und gefaxt hatte, als er, A.G. , Dschinns durch Eldares und das Grasland jagte. Dadurch seien die übergeordneten Stellen auf A.G. aufmerksam geworden. Er schien der einzige Mensch in ganz Aburĩria zu sein, der in jüngster Zeit Erfahrungen mit Dschinns gemacht hatte.
„Kurz“, erzählte A.G. seiner Zuhörerschaft, „der Bericht über meinen außergewöhnlichen Mut, die Dschinns zu einem nächtlichen Ringkampf im Grasland herausgefordert zu haben, war bis zu den Ohren im Büro des Herrschers gedrungen. Man traf eine wichtige Entscheidung und faxte sie an eben diesem Morgen an meinen Chef. Ich sollte unverzüglich in das Büro des Herrschers versetzt werden und dort unter Minister Silver Sikiokuu arbeiten. Inspector Wonderful Tumbo bekam in Anerkennung seiner Ausbildung von Polizisten, die bereit waren, für den Herrscher ihr Leben aufs Spiel zu setzen, eine Gehaltserhöhung.
Wer hat diese wichtige und plötzliche Veränderung in meiner Karriere bewirkt?“, fragte A.G. seine Zuhörer, um die Frage gleich darauf selbst zu beantworten: „Der Herr der Krähen!“
Diese Worte sprach er zu Nyawĩra, als er, weil er sie für den Herr der Krähen hielt, vor ihr niederkniete, demütig den Kopf zur Seite beugte und immer wieder Danke sagte. Er verhielt sich so verwirrend, dass Nyawĩra ihn fragte: „Was willst du noch?“
„Nichts. Wissen Sie, ich bin ins Büro des Herrschers versetzt worden, aber ich habe mich davongestohlen, um Ihnen zu sagen, wie wirksam Ihr Zauber gewesen ist. Ich soll jetzt helfen, die Dissidenten zu fangen, die gestern Abend im ganzen Land regierungsfeindliche Flugblätter verteilt haben. Glauben Sie mir, oh Herr der Krähen, ich werde nie vergessen, was Sie für mich getan haben. Aber jetzt muss ich los.“
A.G. erhob sich. Nach wenigen Schritten blieb er stehen, als wäre ihm noch etwas eingefallen. Er sah zu Nyawĩra zurück und der Anflug eines verschwörerischen Lächelns huschte für einen Augenblick über sein Gesicht.
„Herr der Krähen, diese Dissidenten sind sehr gerissen. Sie machen sich im Dunkeln an ihr schmutziges Geschäft und verkleiden sich als Dschinns, aber sie werden lernen müssen, dass sich Arigaigai Gathere von niemandem hinters Licht führen lässt. Wissen Sie, bei jedem Flugblatt befand sich eine Plastikschlange. Das müssen die gleichen sein, mit denen sie die Geburtstagsfeier des Herrschers ruiniert haben. Wenn sich aber herausstellen sollte, dass sie wirklich Dschinns sind, die sich als Dissidenten verkleiden, komme ich wieder her und bitte um Hilfe bei der Festnahme. Ich hätte nicht ‚nichts‘ antworten sollen, als Sie mich fragten, was ich noch will. Ich weiß, dass selbst Dschinns es nicht mit der Macht des Herrn der Krähen aufnehmen können. Aber darüber sollten wir später reden.“ Dann ging A.G. , um sein neues Leben als Geheimagent im Büro des Herrschers zu beginnen.
Zitternd lehnte sich Nyawĩra gegen den Türrahmen. Dann ging sie ins Haus zurück und starrte Kamĩtĩ fassungslos an. War das alles nur Zufall?
„Wer bist du wirklich?“, fragte sie ihn.
„Ich sollte dir dieselbe Frage stellen“,
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