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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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verschrumpelt und teilweise abgelöst. Jeden Anflug von Scham, den sie bei diesem Anblick vielleicht verspürte, machte der Schauer vergessen, der ihn durchzuckte: Todeswehen .
    Mit einem Mal wurde ihr schlecht. Als der Mann ächzte, fiel Kate wieder ein, dass sie zwei gesunde Beine hatte. So ging sie zu Grady, wobei sie immer noch nach dem Ursprung des Geräusches suchte. Wer immer sich im Dunkeln aufhielt, war ihnen zum Greifen nah gekommen. Kurz dachte sie an Leute aus dem Dorf, die Mrs. Fletcher einberufen haben mochte, um mit ihnen zu suchen, doch falls das stimmte, hatte Grady gerade einen von ihnen umgebracht. Und fast auch mich.
    Irgendetwas sagte ihr aber: Dies waren keine Dörfler.
    Nein, sie verkörperten Gradys Befürchtungen und waren der Grund dafür, dass er wie aus heiterem Himmel einknickte und den Schrecken Besitz ergreifen ließ, dass er hundert Jahre alt aussah und seine Waffe vielmehr als Gehhilfe gebrauchen konnte.
    »Sagen Sie«, sprach eine Stimme direkt voraus, woraufhin Kate zusammenzuckte. »Ist es bei Ihnen üblich, ohne Vorwarnung auf Freunde zu feuern? Was, wenn Sie Neil getroffen hätten, und nun läge er in den letzten Zügen dort? Ganz schön dumm käme es Ihnen dann vor, Ihre Reaktion arg übertrieben, nicht wahr?«
    Grady gab sich einen Ruck, sah aber trotzdem nach wie vor am Boden zerstört und müde aus. Er konnte sich nicht verteidigen, egal was ihn bedrängen mochte und solche Anstrengungen erforderlich machte. Er schien nichts weiter als schlafen zu wollen – weiß Gott wie lange. Kate fühlte sich deshalb umso einsamer, völlig im Stich gelassen und gleichzeitig umzingelt. Rasch zog sie den Hahn der alten Pistole zurück und betete darum, sie funktioniere im Bedarfsfall.

    ***

    Grady neigte den Kopf zur Seite, als er das mahlende Klicken hörte, verzog aber keine Miene.
    Die Männer traten in den Lichtkreis.
    »Jesus Christus«, entfuhr es ihm.
    Grady wollte nicht wahrhaben, was sich vor seinen Augen abspielte. Es musste sich um Hexerei handeln, irgendein diabolisches Schindluder.
    Sie waren zu fünft, der Niedergeschossene und der Mann mit den Verbänden mitgezählt. Dieser trug Gradys Mütze – ein Spott, dessen Tragweite dem Besitzer nicht entging: Der Kerl musste genauso wie die Kreaturen zugegen gewesen sein, als der Wind das Teil über den Zaun ins Moor geweht hatte. Die Vorstellung davon, wie er Grady verborgen im Dickicht beim Hantieren der aus dem Sack gefallenen Kürbisse zugesehen haben musste, ließ ihn erschauern.
    Als der Letzte von ihnen ins schummrige Licht trat, blieb Kate vollkommen reglos stehen.
    Es war Neil.
    »Mein Gott, du bist wohlauf«, rief sie mit wackliger Stimme und war sich doch nicht sicher. Sie wollte zu ihm gehen, doch Grady hielt sie zurück, womit er sich einen Blick von ihr einhandelte, der Glas zerschnitten hätte. Er schüttelte den Kopf und drückte zur Bekräftigung ihre Schulter. »Warten Sie«, flüsterte er, worauf sie nicht antwortete, sich aber auch nicht weiter widersetzte.
    Abgesehen davon, dass er nackt war, stimmte etwas nicht mit dem Jungen, aber Grady konnte es nicht genau eruieren.
    Er schluckte und fuhr sich mit der Zunge über seine Lippen. Die Kälte setzte ihm zu, weshalb er sich stark zusammenreißen musste, um nicht hinzufallen und liegen zu bleiben. Nur der Gedanke daran, Kate dadurch auf sich allein gestellt irgendwelchen Geistern und Monstern zu überlassen, hielt ihn auf den Beinen. Dass er aber mehr ausrichten konnte, hielt er für ausgeschlossen, denn die Kraft dazu, sich zu verteidigen oder bloß Entscheidungen zu treffen, war ihm – wie die Mütze vor ein paar Stunden – verlustig gegangen.
    Wir werden hier draußen sterben , dachte er mit niederschlagender Gewissheit sowie angesichts der zerlumpten Freunde und ehemaligen Bekannten, die im Halbkreis vor ihm standen und ihn unverhohlen böswillig anstarrten. Doktor Campbell war da, mit spukhaft weißem Gesicht und umso schwärzeren Augen, die wie Insektenpanzer schillerten. Er hatte zerzaustes Haar wie immer, doch es klebte in Büscheln zusammen, was sich jedoch schlecht erkennen ließ. Außer dem Bandagierten trug niemand Kleider. Trotz der bitteren Kälte schienen sie nicht zu frieren. Neben dem Arzt stand Fowler. Grady überkam eine Woge des Bedauerns, da sein alter Gefährte nicht davongekommen war, bevor ihn der Unbekannte rekrutiert oder besser gesagt infiziert hatte. Denn kein im Großen und Ganzen gutmütiger Mensch wie Greg ließ sich derart

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