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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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Schock war sie sich bewusst, dass Zuwiderhandlung den Tod bedeuten mochte. Sie schlotterte und drehte sich langsam zum Urheber des Befehls um. Sie war nur ein wenig erleichtert, als sie die dickliche Haushälterin im Eingang stehen sah. Im Gegenlicht von der Diele her blieb sie ein bloßer Schattenriss. Zuversichtlicher wurde sie allerdings, da sie erkannte, dass die Frau zwar geschossen hatte, das Gewehr aber jetzt auf den Boden richtete. »Wer bist du?«
    »Sie kennen mich doch. Tabitha … Tabitha Newman.«
    Mrs. Fletcher schwieg einen Augenblick lang, ehe sie zur Seite trat, damit mehr Licht von drinnen auf den Hof fiel. »Besser, du kommst herein«, bot sie an. »Hurtig.«
    »Was ist los?«, fragte Tabitha im Laufen. »Wieso haben Sie auf mich gefeuert?«
    »Ich wollte dich daran hindern, das Tor zu öffnen, Mädchen. Hättest du es getan, wärst du jetzt tot, aber nicht wegen meiner Kugeln. Aber nun rein mit dir, los!«
    Tabitha hastete an ihr vorbei und schaute dann zu, wie die Alte die Tür zuschlug, nicht ohne hinterher den Riegel vorzuschieben.
    »Was ist passiert? Hat Neil den Weg zurückgefunden?«
    Die Tagelöhnerin drehte sich um. Ihre Miene war schauerlich anzusehen. »Nein. Wir beide sind allein … mit diesem Ding im Stall.«
    »Was für ein Ding?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Mrs. Fletcher und zeigte auf die Treppe. »Wir werden uns aber verstecken müssen. Jetzt wo ich es mir durch den Kopf gehen lasse, war es wohl nicht sonderlich klug, aufs Tor zu schießen, bloß konnte ich nicht an mich halten, als du versucht hast, es zu öffnen.«
    »Na ja, da es doch eingesperrt ist, sollten wir vielleicht in den Ort laufen.«
    »Es wird sich nicht lange festhalten lassen, und sobald es sich befreit hat, bin ich dran. Immerhin stach ich es mit der Heugabel.« Sie lächelte verdrossen. »Das machte es wohl wütend. Ein ganz schön flinker Teufel, sag ich dir. Wir würden es nicht bis ins Dorf schaffen und nicht einmal merken, wenn es uns reißt. Im Dunkeln ist es so gut wie unsichtbar. Nein, hier sind wir besser aufgehoben, weil wir es sehen können.«
    Tabithas Gedanken überschlugen sich. Sie war in der Hoffnung hergekommen, dem albtraumhaften Rätsel auf den Grund gehen zu können, das mit Neils Verschwinden begonnen hatte, doch jetzt schien sie mitten auf ein weiteres Schlachtfeld getappt zu sein. Dies warf die Frage auf, wie viele Häuser im Umkreis des Dorfes noch mit Monstern haderten.
    Mansfields Anwesen war genauso wie das ihrer Eltern eine veritable Festung aus solidem Mauerwerk, die dem herben Wetter im Moor trotzte, auch wenn das Böse in Gestalt ihres Bruders den Weg in ihr Zimmer gefunden hatte. »Ich sah sie.« Die Dienerin schaute sie fragend an, also fuhr Tabitha fort: »Sie haben meinem Bruder etwas angetan, ihn irgendwie verändert, und … meine Mutter ist weg. In ihrem Bett entdeckte ich Blutspuren, aber ich konnte sie nicht finden. Ich dachte, sie sei eventuell hier, weil sie selbst nachhören wollte, ob Neil zurückgekehrt sei. Ich kam schließlich her, um überhaupt irgendjemanden zu finden, sie oder ihn.«
    Mrs. Fletcher musste sie enttäuschen. »Tut mir leid, meine Liebe. Hier ist niemand vorbeigekommen, nur dieses Ding. Ich vermute auch, dass es unseren Master dahingerafft hat.«
    Tabitha nickte. Es musste tatsächlich ein grausamer Albtraum sein. In der wirklichen Welt verwandelte sich niemand in ein Monster, und geliebte Menschen starben nicht einfach so. Obwohl sie noch einen letzten Rest Hoffnung bewahrte, bangte sie um ihre Mutter. War sie gar wie Donald umgekrempelt worden? Sie wusste nicht, ob sie den Tod für schlimmer halten sollte, aber wie auch immer: Zum Trauern hatte sie keine Zeit, denn andernfalls würde auch sie diese Schreckensnacht nicht überleben.
    »So etwas ist mir noch nie untergekommen«, versicherte Mrs. Fletcher. »Je länger ich darüber nachsinne, desto stärker vermute ich, im Stall sitze die echte Bestie von Brent Prior.« Sie ging auf die Treppe zu und forderte Tabitha auf, ihr zu folgen. »Tun wir etwas. Oben können wir uns verstecken.«
    Die Bestie von Brent Prior. Das Mädchen schluckte. Sie existiert doch nur als Sagengestalt. Das galt allerdings für alle Monster, und dass es solche dennoch auch in Wirklichkeit gab, war ihr bereits aufgezeigt worden.
    »Und falls in der Zwischenzeit jemand zurückkommt?«, fragte sie.
    »Wir können an einem der Fenster im Obergeschoss Ausschau halten. Sobald wir einen Menschen sehen, warnen wir ihn

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