Herr der Moore
zuschlug, bevor sie zuließ, dass Galle ihren Mund flutete und Angst ihr Rückgrat kitzeln ließ. Es währte nicht lang, auch weil sie keine Zeit für Magenverstimmungen hatte. Das Wesen klammerte sich immer noch an die Decke, mittlerweile fast direkt über ihr, und Blut tropfte beinahe metronomisch genau auf den Fußboden. Seine Bewegungen erlahmten.
Mrs. Fletcher stöhnte mit unsteter Stimme und versuchte, nicht an das Mädchen zu denken. Sie hätte sie schon fortschicken sollen, als sie ihr am Stall aufgefallen war, hatte aber in der Hitze der Ereignisse die erstbeste Entscheidung getroffen. Welch Glück, dass die Kleine nicht umgekommen war. Ich wollte nicht allein sein.
Ihre Reue musste warten, zumal es letztlich noch einmal gut gegangen war.
Zumindest für Tabitha und bis auf Weiteres.
Die Kreatur war noch nicht tot, die Gefahr umso unmittelbarer. Mrs. Fletcher langte in ihre Tasche und stellte erschrocken fest, dass ihr nur noch eine Patrone blieb. Sie verlor den Mut: Zweimal schon hatte sie getroffen und es obendrein mit der Mistgabel gestochen; falls der letzte Schuss es nicht umbrachte oder danebenging, war sie so gut wie tot.
Während sie nachlud, behielt sie den Schatten oberhalb im Auge und sprach hastig eine leise Fürbitte an Gott, er möge ihr helfen, so er zuschaute, und die verbliebene Kugel ins Schwarze treffen lassen, um diesen Horror ein für alle Mal zu beenden.
Als sie anlegte, suchte das Wesen ihren Blick. Das weiße Licht war zu einem Grau wie von Gewitterwolken geworden, und die Augenhöhlen wirkten nach wie vor zu groß für den Schädel. Es erlag seinen Verletzungen früher oder später, schrumpfte sichtlich und wurde immer schwächer. Da es kopfüber hing, troff das Blut jetzt in richtigen Fäden aus seinem Maul. Die Zunge darin wand sich und ließ gelegentlich ein Röcheln durch.
»Gut«, befand Mrs. Fletcher und schöpfte Hoffnung.
Das Geschöpf ließ los und riss Gipsbrocken mit nach unten. Noch in der Luft drehte es sich um, damit es auf allen vieren aufkam. Staub rieselte, und die Tagelöhnerin vollzog den Fall mit dem Gewehrlauf nach. Ihr Finger zuckte am Abzug, da veränderte es sich.
Es landete auf Menschenfüßen.
Mrs. Fletcher bekam den Mund nicht zu und senkte die Waffe ein Stück weit, ohne dass sie sich dessen bewusst war. Sie wollte schreien und wach werden, weinen oder sterben – Hauptsache, sie musste nicht stehen bleiben und zusehen, wie ihr Verstand gleich einer Scholle bei Tauwetter wegbrach. In der Tat glaubte sie kurz sogar, Eis brechen zu hören.
Er schleppte sich auf seinen zerschundenen Beinen näher heran. Seine Haut schwärte, und er blutete stark.
Master Mansfield.
»Florence«, keuchte er. Nackt war er, und seine Beine drohten einzuknicken, als er vor ihr innehielt. Seine Knochen knirschten, als zerbreche jemand ein Glas mit der Faust. »Helfen Sie mir.«
Verblüfft und unsicher zielte sie erneut, die Mündung nur wenige Zoll vor seinem Gesicht. Sie zweifelte nun nicht mehr daran, dass sie gerade einen krassen Albtraum erlebte oder der Zauberei aufsaß.
»Du bist nicht wirklich«, behauptete sie. »Der Teufel versucht mich. Weiche von mir!«
Sie wollte abdrücken, doch der vermeintliche Mensch wich vor ihr zurück und hob die blutenden Hände zur Abwehr über den Kopf wie ein Kind, das sich der Schläge eines aufgebrachten Vaters erwehren will. Sie zögerte und horchte auf die Laute, die aus der Armbeuge vor seinem Gesicht drangen.
Schluchzen.
Dennoch nahm sie die Waffe nicht herunter, weil sie nicht auf die innere Stimme eingehen wollte, die ihr vor Augen hielt: Er ist dein Master, und du musst ihm helfen. Er leidet. Sie hatte aber auch gesehen, was er dem Mädchen antun wollte und auch ihr.
Sie biss auf die Zähne, schluckte und trat zur Seite, umging ihn wie zuvor im Stall, während sie hin- und hergerissen war, wie Blätter in einem Windstrudel. Jetzt zielte sie auf seinen Kopf.
»Was ist aus Ihnen geworden?«
Beim Abschreiten achtete sie auf das geringste Anzeichen dafür, dass er sich wieder verwandelte. Dann würde sie trotz aller Bedenken und möglicher Schuld abdrücken und ihn ins Grab befördern – beziehungsweise die Hölle, die darunter loderte. Er weinte weiter und ließ die Hände langsam von seinem geduckten Kopf gleiten. Das Gesicht lag im Schatten.
» Er war es.« Seine Nase triefte. » Er hat mir das angetan.«
»Wer?«
»Callow.«
»Edgar Callow? Er ist tot. Jeder weiß das.«
»Nein, Florence. Ist er
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