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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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hinunter.
    Der Kopf ihres Vaters ruhte immer noch auf der Seite zum Fenster hin, doch das eine Auge, das sie von oben sah, hatte sich bewegt, das Lid darüber gezuckt. Er betrachtete sie schräg von unten und ängstigte sich offenbar. Die Äderchen in dem Weiß kamen ihr wie winzige Taue vor, an denen sein Blick in die alte Starre zurückgezogen wurde, und wie sie weiter hinschaute – reglos trotz der Möglichkeiten, die diese unverhoffte Entwicklung verhieß –, fing seine Unterlippe zu zittern an.
    Mit einem Satz stand sie kerzengerade neben dem Bett. »Oh Gott …Vater?«
    Alles in ihr wollte aufschreien, wie sie es sich vorgestellt hatte, doch vorerst war es ihr zu ungewiss, als dass sie nur einen leisen Mucks herausgebracht hätte. Er hat mich erhört , dachte sie. Ihre Nerven vibrierten vor Aufregung. Er kommt zu sich!
    Sein vor Blut stark gerötetes Auge stierte sie immer noch von der Seite her an. Es klickte, als er schluckte, und seine trockenen Lippen gingen mit einem Plopp auseinander.
    Kate rückte wieder dichter heran. »Ich bin es«, begann sie mit tränenerstickter Stim heilbare Krank me. »Ich bin hier, und jetzt ist alles wieder gut.«
    Gebeten hatte sie nie große Wirkungskraft zugemessen, doch was nun geschah, war praktisch ein Wunder, und sie wagte kaum, es zu glauben.
    Er öffnete das Auge weiter, bis sie nur noch rot geädertes Weiß sah. Ihn schauderte, und sein Atem war ein unregelmäßiges Zischen, während sich seine Brust in hastiger Folge hob und senkte.
    »Daddy …«
    Nun war der Nebel so weit aufgestiegen, dass er die Sonne ausblendete. Es wurde dunkel im Raum, und irre Schatten wanderten über das Bett.
    Kate verspürte eine kalte Ungewissheit, weil ihr Vater so unverhohlen entsetzt dreinschaute. Erkannte er sie etwa nicht? Sah er ein Phantom an ihrer Stelle? Mit seinem steinernen Blick schien er sie stumm zu bitten: Bleib weg bleib weg bleib weg bleib weg …
    »Hab keine Angst«, schluchzte sie. »Ich bin es, Vater. Bitte nicht …«
    Er krümmte sich einmal und hustete gequält; zumindest klang es so, und was folgte, war ein ungesundes Gurgeln, als nähmen verkümmerte Organe ihre Arbeit wieder auf.
    Zuletzt schrie sie wirklich. Etwas floss aus dem leicht geöffneten Mund ihres Vaters.

    ***

    »Tabak.«
    »Wer sind Sie?«, fragte Neil. Der Kunde roch nach feuchtem Lehm und brennendem Laub, ein herbstliches Odeur, das angenehm gewesen wäre, hätte es nicht ein Hauch von Tod begleitet.
    »Verzeihung, falls ich Sie erschreckt habe.«
    »Haben Sie nicht.« Für Neil klang die unbekannte Stimme mitnichten entschuldigend, und während der Akzent auf einen Einheimischen hindeutete, kam ihm das tiefe Grollen des Mannes völlig fremd vor.
    Er wandte sich von ihm ab und fing an, die Kerben im Holz abzutasten, um das richtige Regal zu finden. Greg Fowler, der Eigner des Ladens, hatte Symbole in die Bretter geschnitzt, die Neil zeigten, was darauf stand und lag. Er musste also nur mit den Fingerspitzen darüberfahren und fand rasch, was er suchte. Natürlich hatte er sich damals wegen dieser »Sonderbehandlung« beschwert, doch Fowler war trotzdem heimlich zur Tat geschritten. Jetzt wollte Neil die Markierungen nicht mehr missen.
    »Er liegt da oben im Fach rechts von Ihnen.«
    Neil biss zornig auf die Zähne. »Ich weiß , wo er liegt.« Er langte nach dem Säckel, drehte sich um und warf es auf die Theke.
    »Sie müssen Neil Mansfield sein«, sagte der Fremde. »Jack Mansfields Junge.«
    »Wer sind Sie?«
    »Ein alter Bekannter.«
    »Gut, dann darf ich nicht vergessen, Vater die Grüße eines Bekannten von früher auszurichten.«
    Der Mann legte Münzen auf die Theke. »Wie geht es Ihrem Vater überhaupt? Mich überrascht, dass ich ihm noch nicht begegnet bin.«
    Neil raffte das Geld zusammen und prüfte dabei jede Münze mit dem Daumen, um sicherzugehen, dass er auch den entsprechenden Betrag erhalten hatte. Dann ließ er sie in eine kleine Blechdose hinter der Theke fallen. »Er ist krank. Schon seit längerer Zeit.«
    »Krank? Wirklich? Wie bedauerlich.«
    Erneut rieb sich Neil an der Unaufrichtigkeit in der Stimme des Fremden. »Darf es noch etwas sein?«
    Der Mann schwieg.
    Neil stutzte. »Nun?«
    »Böte man Ihnen an, Sie sehend zu machen, würden Sie es wollen?«
    Neil ballte die Fäuste. Kaum etwas regte ihn so sehr auf wie Menschen, die sich herausnahmen, über seine Behinderung zu diskutieren, nur weil er selbst so offen damit umging. »Wie bitte?«
    »Die Frage ist doch relativ

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