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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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Haus das Sagen hat.«
    Kate schaute ihn drohend an. »Sie sind ein Scharlatan und Trunkenbolt; Sie tun gut daran, die kostbare Luft im Schlafzimmer meines Vaters nie wieder zu verpesten.«
    Die Farbe wich aus dem Antlitz des Doktors. Erneut richtete er sich an Grady. »Gebieten Sie solcher Vermessenheit keinen Einhalt? Als Verantwortungsperson muss ihr Ton Sie doch brüskieren.«
    »Sie ist für sich selbst verantwortlich«, erwiderte Grady, »zumal sie neben sich steht wie wir alle, seit der Master krank ist. Als Leibarzt sollten Sie Trauer und Ängste jedweder Prägung erlebt haben; was beides aus den Leidtragenden machen kann, dürften Sie also verstehen.«
    Kates Eingeweide zogen sich angesichts Gradys Rede zusammen. Sie schaute ihn flehend an. »Wir tragen kein Leid. Es gibt nichts zu beklagen, verflucht.«
    »Ich habe alle Arten von Gram gesehen«, antwortete Campbell sie ignorierend, »aber noch nie solche Unverschämtheit … nicht von Seiten eines Kindes. Was für eine Schande! Darüber hinaus erachte ich es als Ihre Pflicht, die Kleine an ihre Stellung und Etikette zu erinnern.«
    »Das dürfen Sie gerne, doch vielleicht haben auch Sie es nötig, Doktor, in Ihre Schranken verwiesen zu werden. Versetzen Sie sich doch in die Lage der jungen Dame. Sie steht ihrem Vater sehr nahe, und der Gedanke, ihn zu verlieren …« Er schüttelte den Kopf und warf Kate einen Blick zu. In ihren Augen schwelte ein dunkles Feuer.
    Campbell wurde verlegen und ging am Treppenabsatz auf Distanz, während er sich weiterhin immer wieder die Stirn abwischte. »Ich gebe zu, mich hin und wieder geirrt zu haben«, gestand er. »Nicht oft, aber das sei Ihnen gesagt: Wer behauptet, die Geheimnisse des menschlichen Körpers in- und auswendig zu kennen, ist ein Narr. Ich schüre eben ungern falsche Hoffnungen, doch das macht mich nicht zum Unruhestifter.« Wie seine Hände nun zitterten, sah er mit einem Mal viel älter aus.
    »Dann sollten Sie Ihre Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen vielleicht verfeinern«, schlug Grady vor.
    Campbell spannte die Lippen an. »Mr. Grady, diese Kompromissbereitschaft bedeutet nicht, dass ich gestehe, meinen Beruf verfehlt zu haben. Ich erkläre bloß, weshalb ich nicht die Diagnose gestellt habe, die Sie erwarten. Das ist alles.«
    »Wir sprechen über einen Mann, der sich seit fast zwei Jahren keinen Zoll bewegte, es sei denn, wir wuschen und fütterten ihn. Dieser Mensch starrte unentwegt aus dem Fenster, als wolle er ergründen, wer und wo er ist. Heute hat er sich endlich gerührt, und zwar aus eigenen Stücken, während Sie uns weismachen möchten, dies sei kein Zeichen der Besserung.«
    »Alle Zeichen deuten darauf hin …«
    »Falls es Ihnen einerlei ist«, sprach Grady weiter, »geben wir unsere Hoffnung doch nicht auf. Zumindest bis Master Mansfield uns persönlich mitteilt, es sei vergebens.«
    Der Doktor tat gleichgültig und setzte seinen Filzhut auf. »Wie Sie wünschen. Dennoch warne ich Sie davor, zu verbissen auf seine Genesung zu pochen, denn Ihre Enttäuschung hinterher könnte umso schwerwiegender ausfallen.«
    »Verstanden.«
    »Ich habe ihm eine Dosis Morphium verabreicht. Das wird genügen, bis ich Sie wieder besuche.«
    Grady nickte.
    »Lassen Sie sich Zeit damit«, grummelte Kate so leise, dass der Doktor es nicht hörte. Er trottete die Stufen hinunter und fuhr mit der Hand am Geländer entlang, um das Gleichgewicht zu halten. Auf halbem Weg blieb er stehen, starrte einen Augenblick lang geradeaus und stellte seine Tasche auf der Treppe ab. Kate und Grady sahen zu, wie er ein Reagenzröhrchen herausnahm und hochhob. Dann drehte er sich um und lächelte den beiden traurig zu.
    »Wissen Sie, was das ist?«, fragte er, indem er das Glas einmal kräftig schüttelte, wobei sich die schillernde Flüssigkeit darin nur träge bewegte.
    »Quecksilber?«, tippte Grady.
    Campbell verneinte. »Ich zeige es Ihnen, damit Sie sich mit dem Dahinscheiden Ihres Vaters abfinden«, erklärte er mit Blick auf Kate. »Bringen Sie das Schlimmste hinter sich.«
    Kate schnaufte. »Den Teufel werde ich …«
    »Brechmittel nutzen nichts«, unterbrach Campbell, ehe sie ihn erneut beleidigen konnte, »genauso wenig wie eine Salzkur.« Er schüttelte das Rohr erneut. »Dies hier habe ich dem Kranken abgenommen.«
    Grady atmete vor Erstaunen laut aus, und als Kate ihn anschaute, bemerkte sie, dass er sich um ihretwillen bemühte, die Fassung zu wahren. Umso betrübter widmete sie sich wieder dem Arzt.

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