Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
Vom Netzwerk:
Zimmer ganz in Weiß – ein Weiß wie das des Mondes, wie Knochen oder Nebel. Letzterer stieg vom Fuß des Bettes hoch, kräuselte sich wie Meeresbrandung um die Laken und vereinte sich wieder mit der hellen Masse unterhalb. Sein Körper verkrampfte sich wie unter Schock, und das Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, als erwehre es sich verzweifelt der Folter. Ein einzelner Tropfen silbernes Blut rann aus seiner Nase.
    Er machte die Augen wieder zu und konzentrierte sich auf seinen rasselnden Atem. Gebete – davon waren ganze Bände in diesem staubigen Raum gesprochen worden – zeigten keine Wirkung, denn der Schmerz blieb bestehen, wand sich wie Schlangen unter seiner Haut und flaute nur kurz ab, um seine Organe zu zernagen, gleich einem tollwütigen Hund an seinen Nerven zu zerren und gegen sein Fleisch zu klopfen, als suche er einen Ausgang. Vereinzelt sah der Kranke sie; ihre rautenförmigen Köpfe rammten seine Brust und dehnten die Haut über den Rippen wie Gummi, bis er nicht mehr hinschauen konnte. Er fantasierte, bis zur Besinnungslosigkeit schreien zu müssen. Zuerst hatte er sie als schiere Halluzinationen aufgefasst, bildhaft entsetzliche Platzhalter einer noch entsetzlicheren Pein, doch nun waren sie greifbar. Er spürte, wie sie sich in ihm bewegten und seine fahrigen Hände kitzelten, da wusste er, dass sie wirklich waren. Ihr undenkbar heimtückisches Eindringen machte ihn rasend. Er nahm sich verbissen vor, auszuhalten und dem Leid zu trotzen, den Parasiten ihr Mahl zu verleiden.
    Nun stellte er sich vor, wie Neil still am Fenstersims saß, zum Greifen nahe fast und dennoch Millionen Meilen entfernt; dann Kate, die seine Brust mit Tränen benetzte, während er nichts lieber getan hätte, als sie zu umarmen und seine Zunge zum Sprechen zu bewegen, allein um sie wissen zu lassen, dass er alles hörte und fühlte – dass er immer noch da war. Leider vermochte er dies alles nicht, denn die Schmarotzer bändigten den Wortschwall, noch ehe er seine Lippen erreichte. So konnte Mansfield nichts weiter tun, als unter den Decken liegen zu bleiben, die ihm wie Stahlwolle vorkamen, während sich Reptilien unter seiner Haut wanden.
    Ihn folterten.
    Ihn wahnsinnig machten.
    Ihn veränderten.

6

    Nachdem Grady seine Geschichte erzählt hatte, stand er vom Sofa auf und ging zum Kredenztisch neben dem Fenster, wo er sich ein Glas Brandy eingoss. Dabei sah er Kates blasses Gesicht im Spiegel des Möbels. Ihre Augen waren geweitet, und sie verschränkte die Finger ineinander, damit sie ruhig blieben.
    »Tut mir leid. Ich weiß, wie das klingt, und bevor Sie mich darauf stoßen, ja, ich bin ein verrückter, alter Tölpel.« Er pfropfte den Deckel wieder auf die Karaffe aus Kristallglas und kehrte mit dem Getränk zu seinem Platz zurück. »Wie gesagt, ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich selbst noch daran glaube.«
    »Es ist lachhaft«, befand Kate. »Monster im Moor? Vater hat dergleichen behauptet, um uns Angst einzujagen.«
    »Das tat er zu Recht. Womöglich wollte er Ihnen so Respekt vor der Gegend einflößen und Sie von dort fernhalten.«
    »Ich finde, solche Märchen gehören in Londoner Schundzeitschriften und haben nichts mit der Realität zu tun!«
    »Jetzt wissen Sie eben, was ich gesehen habe. Vielleicht blieb wegen des Nebels manches undeutlich, doch worum es sich auch handelte, es brachte Royle mit einem Schlag seiner Pranken um und riss das Pferd in Stücke.«
    »Könnte doch ein Wolf oder ein wilder Hund gewesen sein.«
    »Könnte.« Gradys Tonfall verhehlte nicht, dass er daran zweifelte.
    »Versuchte nach dem Vorfall niemand, es zu erlegen? Wollte kein Mensch herausfinden, was es ist?«
    »Nein, weshalb denn?« Er nippte am Brandy. »Tapferkeit hin oder her, man stellt dem Teufel nicht nach, weil man befürchtet, dabei seine Seele zu verlieren. Nichts ängstigt uns mehr.«
    Kate betrachtete das Fensterkreuz und die Nebelschwaden, die von draußen gegen die Scheiben drängten. »Dann treibt es sich immer noch dort herum.«
    »Seitdem hat es sich nicht wieder blicken lassen«, versicherte Grady, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach. Dennoch hatte er das Gefühl, die Notlüge sei gerechtfertigt, gerade weil die Furcht Kate fest im Griff hatte. Er wollte ihr die andauernde Angst ersparen, die er selbst seit dem Tag der Suche im Herzen hegte.
    Als sie ihn wieder anschaute, sah sie nicht mehr ängstlich, sondern traurig aus. »Was hat es Vater angetan?«
    Grady drehte den Kopf langsam hin und

Weitere Kostenlose Bücher