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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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diese Weisheit rührte; um selbst darauf zu kommen, fürchtete er sich zu sehr, und dennoch war es ihm eingefallen.
    »Komm schon«, forderte er, knirschte mit den Zähnen und schwang den Stab im bedrohlich weiten Bogen. »Worauf wartest du?«
    Nur der Wind antwortete ihm. Neil hielt noch ein wenig länger inne, während die erhobene Hand mit dem Stock zitterte. Jetzt keimten weitere Zweifel auf: Vielleicht hatte er nichts weiter als Blätter gerochen, und irgendetwas versteckte sich tatsächlich darunter, um zu verenden. Dies wäre alles andere als unüblich und weit plausibler gewesen als die Vorstellung von einem Wildfremden, der ihm auf dem Nachhauseweg nachstellte, wo ihn jeder sehen konnte, der nur beiläufig aus dem Fenster schaute.
    »Dummkopf.« Neil nahm den Stock herunter und wandte sich wieder dem Anwesen zu. Es war nicht mehr weit; ein paar rasche Schritte, und er stand vor der Tür.
    Es raschelte weiter, wieder und wieder – so nahe, dass er sich bloß umdrehen und einen Herzschlag lang warten musste, bis sich der Verfolger auf ihn stürzen mochte. Er wagte es und fuchtelte mit einem Schrei, in den sich zu gleichen Teilen Wut und Furcht mischten, in der Luft herum. Ein plötzliches Klatschen, und der Stock wurde mitten im Schwung abgebremst, was Neil derart überraschte, dass er losließ und vorwärts taumelte.
    Er hatte die Arme von sich gestreckt und hob nun den Kopf. Vor lauter Entsetzen überschlugen sich seine Gedanken. Er hat den Schlag abgewehrt. Wenn Neil nicht aufpasste, brachen alle Dämme, und er geriet in Panik. Jetzt prügelt er mich mit meiner eigenen Waffe.
    Er zuckte zusammen und kreischte verwundert auf, als jemand seine Hand packte. Dann trat er aus, zappelte und zeterte, war sich sicher, gleich das Zeitliche zu segnen, obwohl er das Haus direkt vor sich hatte. Man grapschte nach ihm, Fingernägel krallten sich an seinen Ärmel, und schließlich ward er gezwungen, die Hand zu öffnen. Todesängste stand er aus. Der Mann, der hinter ihm hergegangen war, würde ihn aus unerfindlichen Gründen umbringen. Irgendwie hatte er Neils Gedanken gelesen, und gleich sollte er den zerschundenen Leichnam in seinem Blute unterm Laub verscharren. Dann mussten andere ihn riechen, sobald es wieder wärmer wurde.
    In seiner persönlichen Dunkelheit war Neil, als lauere ein noch finsterer Schatten über ihm. Wieder dieses Rascheln … näher jetzt.
    Ein Schrei entfloh seinem Mund, doch er flaute zu einem Schluchzen ab. »Wieso tust du mir das an?«
    Einen Moment lang blieb es fast windstill, und nur ein Raunen ging durch die Blätter. Dies genügte, um Neil darauf zu stoßen, dass er allein war. Den Stab hatte man ihm wieder in die Hand geschoben. Von fern hörte er leise die Schritte im Laub.
    »Wer bist du?«, wisperte er. Die Tränen fühlten sich im Vergleich zu seinen tauben Wangen warm an.
    Als Antwort vernahm er einzig die Stimme des Fremden: Wir werden noch genügend Zeit bekommen, uns auszutauschen.

    ***

    »Du bist also einkaufen gegangen«, sagte Donald.
    Tabitha schaute ihren Bruder, der gerade zu ihr schlenderte, böse an. Seine wulstigen Lippen waren zu einem spöttischen Grinsen angespannt, das breite, gelbe Zähne offenbarte. Die Kappe hatte er sich fest über vor Kälte rote Ohren gezogen. Von seiner knolligen Nase tropfte Rotz. »Was nun?«, fragte er, da sie keine Antwort gab. Auf dem Weg zu ihrem Haus, einem zweistöckigen Gebäude mit Satteldach, ging er neben ihr her. Die Fenster wirkten wegen der weißen Klappladen wie müde Augen hinter einem Schleier aus Efeu, der die Wände zur Gänze abdeckte und sich wie zarte Finger in den Regenrinnen rankte.
    »Dass ich im Geschäft war, ist mehr als offensichtlich«, erwiderte sie schließlich, indem sie den Karton hochhielt, damit er hineinsehen konnte. »Jetzt lass mich in Frieden.«
    »Na, na«, beschwichtigte Donald und steckte die Hände in seine Hosentaschen. »Müssen wir mal wieder unseren Dickkopf hervorkehren? Ich wollte nur zeigen, dass ich mich durchaus dafür interessiere, was meine Schwester so treibt, sonst nichts.«
    Tabitha musste sich auf die Zunge beißen, um nicht ausfällig zu werden. Sprach sie die Beleidigungen aus, die ihr auf den Lippen lagen, würde er an ihren Haaren ziehen oder ihr in den Arm kneifen. Natürlich nicht so fest, dass es blutete oder ein blauer Fleck zurückblieb. Er wollte ihr stets nur ein bisschen wehtun und sie den Tränen nahe bringen, aber noch ärger war es, wenn ihre Eltern zusahen, wie

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