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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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Gram. Möglicherweise sehnten sich manche nach einem Wunder, von dem sie insgeheim wussten, dass es nie eintrat. Wer das Glück hatte, echte Gemeinschaft zu erfahren, beziehungsweise Liebe und Ausgeglichenheit, die damit einhergingen, den warf das Schicksal oftmals auf die niedrigste Daseinsstufe zurück: Typhus, Schwindsucht, Cholera, Krebs, Grippe, Lungenentzündungen, Scharlach, die Pocken und nicht zu vergessen schnöder Verrat, gewaltsame Todesarten von Menschenhand oder durch Tiere – all dies drohte stets, die Welt der Liebenden aus den Angeln zu heben und ihren Wunschtraum von ewiger Verzückung zu zerstören.
    Während Sorgen und Leid andere Frauen oftmals sowohl der Schönheit als auch ihrer Leidenschaft beraubten, bildete sich Campbell ein, auf Sarah Laws wirke es sich genau gegenteilig aus. Das kokette Lächeln, ihr anzügliches Zwinkern gebührte nun keinem Mann mehr außer ihm. Die dirnenhaft dunkelroten Lippen gehörten genauso der Vergangenheit an wie das Puder auf ihren Wangen; ohne Maske erhielt die Welt einen Eindruck ihrer natürlichen Schönheit. War diese im Zuge ihres blutsaugenden Kummers auch ausgeblichen, ließ sie sich mitnichten in Abrede stellen. Der Arzt erkannte sie gleich eines schwachen Lichtes unter verdrecktem Lampenschirm und wurde von ihr wie eine Motte angezogen. Sarah Laws blieb während all der Tage, in denen er sich besoffen im Selbstmitleid suhlte, ein Schatz und sein einziger Lebensgrund. Sie war schlank und hatte nussbraune Augen wie ausglühende Kohlen, die auf neuerliche Hitze warteten, um das alte Feuer der Zweisamkeit anzufachen.
    Campbell ließ sich am Tresen nieder und tat dabei so, als weise er das Gepolter und die grobschlächtigen Feiermanieren der Rotte ungepflegter Bauern von sich, die am Stammtisch in der Ecke hockten. Sein wahres Ansinnen jedoch bestand darin, Sarah so nah wie möglich zu kommen. Heute sah sie noch fahler aus – so sehr, dass seine Zuneigung ins Hintertreffen geriet, denn er sorgte sich um ihre Gesundheit. Sie kam ihm vor wie Haut und Knochen. Ihre Schultern und Ellbogen wirkten kantig unter der Bluse, ihr Teint aschgrau, und die Augen hatte sie kaum aufgeschlagen, als sei ihre Präsenz nichts weiter als ein Traum, aus dem sie liebend gern erwacht wäre.
    »Guten Morgen, Sarah«, grüßte Campbell und trommelte mit den Fingern auf das Holz. Mit einiger Enttäuschung nahm er ihr unverbindliches Lächeln zur Kenntnis. Dann warf sie das Tuch, mit dem sie Gläser putzte, auf die Theke und schickte sich an, ihm einzuschenken. Dies war bei Weitem nicht das erste Mal, dass sie ihm keine außerordentliche Beachtung schenkte, also beirrte ihn ihre kalte Schulter nicht. Als sie sich abkehrte, wanderte sein Blick von ihrem nachlässig aufgebundenen Haar auf die zarte Haut in ihrem Nacken, die bis auf ein paar winzige Muttermale rein war, und dann den Rücken hinunter auf die Wölbung, die sich unter dem Rock abzeichnete. Sie sah himmlisch aus, und er betete zu allem, was heilig war, er möge die Gelegenheit bekommen, sie nackt zu sehen. Ihre unterkühlten Gebaren, die Gleichgültigkeit konnte er um Jahrzehnte länger ertragen, solange er wusste, dass sie am Ende doch auf ihn warten würde, und zwar breitbeinig mit wie zur Einladung ausgestreckten Armen.
    Den Drink knallte sie eher auf die Platte, als dass sie ihn servierte.
    Er lächelte. »Danke sehr.«
    Sie erwiderte den Blick nicht, sondern fasste seine Geldbörse sowie die fleischigen Finger ins Auge, mit denen er darin nestelte. Dann zählte er behutsam Münzen in ihre offene Hand ab und nickte. »Stimmt so. Davon magst du selbst etwas trinken«, bemerkte er.
    Nach einem weiteren obligatorischen Lächeln verschwand sie ans andere Ende des Tresens, um sich wieder den Gläsern zu widmen, was sie mit mehr Eifer tat, als es zu einer solch schnöden Aufgabe passte. Campbell seufzte und starrte in sein Getränk.
    Das Lokal war klein und diesig, ein verqualmter Würfel mit Täfelung aus Kiefernholz und drei Y-Balken, welche die Decke des Raumes der Länge nach stützten. Im Fox & Mare hatte man stets den Eindruck, es sei viel los, selbst wenn nur wenige Seelen Plätze besetzten. Dies lag teilweise an den ausgestopften Füchsen, die in den Ecken zu wachen schienen, sowie dem Moorhuhn und den Fasanen, die mitten im Lauf erstarrt auf den Sparren standen. An der Mauer über der Theke hing der Riesenkopf eines Hirsches. Der Präparator hatte ganze Arbeit geleistet, ihm den Blick des Todes auszutreiben. Sein

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